Warschau - Eine Woche vor der polnischen Präsidentenwahl liegen der rechtsliberale Übergangspräsident Bronislaw Komorowski und sein Herausforderer, Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, fast gleichauf. Der Kandidat der regierenden Bürgerplattform (PO), der zu Beginn des Wahlkampfs praktisch uneinholbar vorne gelegen war, kann einer am Samstag veröffentlichten Umfrage des Instituts TNS OBOP zufolge mit 38 Prozent der Stimmen rechnen, während Kaczynski auf 36 Prozent kommt. In der Stichwahl würde sich Komorowski aber immer noch mit 56 zu 44 Prozent durchsetzen.

In den vergangenen Wochen hatte der Bruder des am 10. April bei einem Flugzeugabsturz im westrussischen Smolensk getöteten Staatspräsidenten Lech Kaczynski sukzessive auf den PO-Politiker aufgeholt. Komorowski hatte in seiner Funktion als Parlamentspräsident nach dem Toch Lech Kaczynskis verfassungsgemäß die Befugnisse des Staatsoberhaupts übertragen bekommen. Als Übergangspräsident leistete sich Komorowski einige Fehltritte, auch die sinkende Popularität der Regierungspartei PO schadete ihm im Wahlkampf.

Zudem überraschte Jaroslaw Kaczynski seine Kontrahenten mit einem politischen Strategiewechsel. Der Politiker mit einem Ruf eines "Hardliner" versuchte mit sanften Tönen zu punkten und versprach eine reibungslose Zusammenarbeit mit der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk. Er zog damit Lehren aus der Amtsführung seines Bruders Lech Kaczynski, dem der Konfrontationskurs gegenüber der PO-Regierung einen Popularitätsverlust beschert hatte. Unmittelbar vor seinem Tod waren Kaczynskis Beliebtheitswerte so schlecht, dass sogar innerhalb seiner Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) über einen Kandidaturverzicht des Amtsinhabers spekuliert wurde. Regulär hätten die Präsidentschaftswahlen erst im Herbst stattgefunden.

Premier Tusk sagte am Samstag im nordpolnischen Tczew, dass Komorowski und Kaczynski die gleichen Siegeschancen hätten. Der PO-Politiker sprach von einem "sehr ernsten Kampf um die Frage, wie Polen in den nächsten Jahren aussehen wird". Komorowski hatte in den vergangenen Tagen die Angriffe auf seinen wichtigsten Kontrahenten verstärkt und die Aufrichtigkeit seines Strategiewandels hin zu einer versöhnlicheren Politik in Zweifel gezogen. Der Übergangspräsident lehnte es auch ab, an einer TV-Diskussion aller Kandidaten teilzunehmen und forderte stattdessen ein Fernsehduell nur mit Kaczynski. (APA/Reuters)