Brüssel - Deutschland und Frankreich haben sich zwar auf einen vagen Kompromiss zu einer Wirtschaftsregierung zur besseren Koordinierung der Union durchgerungen, der erntet aber viel Kritik. "Die Kommission ist die Wirtschaftsregierung von Europa" , betonte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Dabei weiß der Portugiese das Europaparlament hinter sich, das eine Machtkonzentration in der Hand der europäischen Regierungen fürchtet.

In einer fraktionsübergreifenden Erklärung riefen alle großen Parlamentsgruppen die Kommission am Dienstag auf, angesichts der Rekordschulden der Mitgliedstaaten Vorschläge für eine gemeinsame Haushaltsstrategie zu machen. Liberalen-Chef Guy Verhofstadt sagte, nur mit einer starken Kommission könne die Kleinstaaterei in der europäischen Wirtschaftspolitik überwunden werden. Negativ-Beispiel ist für ihn die Griechenland-Krise, in der die Mitgliedstaaten zögerten, allen voran Deutschland. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz, warnt in diesem Zusammenhang vor einem "deutsch-französischen Direktorium" .

Das Thema wird auch beim heute, Donnerstag, stattfindenden Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs diskutiert werden. Berlin und Frankreich wollen die Wirtschaftsregierung bei diesem Gremium ansiedeln, womit die Formation deutlich mehr Einfluss gegenüber den mächtigen Finanzministern gewinnen würde. Ebenfalls auf der Tagesordnung steht die Unterstützung für eine Bankenabgabe. Barroso sprach sich - ebenso wie Berlin, Paris und Wien - zusätzlich für eine Finanztransaktionssteuer aus. Diese Abgabe findet sich bis dato aber nicht im Abschlussdokument des Gipfels.

Eine neue Front europäischer Uneinigkeit aufgemacht hat Spanien mit dem Vorschlag, sogenannte Stresstests über die Belastbarkeit der Banken in der EU nach US-Vorbild zu veröffentlichen. Österreich und Deutschland reagierten skeptisch bis ablehnend auf den Vorstoß. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.6.2010)