Wenn Leiharbeiter feiern: Toshiki Okadas "Hot Pepper, Air Conditioner, and the Farewell Speech" bei den Festwochen

Foto: Festwochen / Hartwig

Wien - Kollegin Erika ist gefeuert. Ihr Abschied soll trotzdem gefeiert werden. Drei junge Leiharbeiter einer japanischen Firma, ein Mann und zwei Frauen, sitzen und beraten, in welches Restaurant man Erika ausführen soll. Toshiki Okadas Stück "Hot Pepper, Air Conditioner, and the Farewell Speech", das derzeit bei den Festwochen zu sehen ist, beginnt mit einer scheinbar banalen Situation.

Doch was sich im Anschluss auftut, ist die Hölle eines ins Schlingern geratenen Krisenkapitalismus mitsamt Begleiterscheinungen wie Konsumismus, Arbeitslosigkeit und Realitätsverlust. In drei Szenen zeigt Okada soziale Zombies, deren Kommunikation nur noch aus sprachlichen und gestischen Verzerrungen besteht. Zusammen ergeben die Szenen ein bitterböses Tanztheater, dessen Worthülsen produzierende Figuren mit ausufernder Gestik aus der Balance geraten, kippen und einknicken.

Gutscheine und Klimaanlage

Die erste Szene, in der es um das Essen für Erika geht, bezieht ihren Titel von dem in einigen japanischen Städten vertriebenen Gratismagazin "Hot Pepper", das hauptsächlich aus Restaurantgutscheinen besteht und seinen Lesern die Freizeitgestaltung erleichtert. Schnell schweifen die Kollegen ab und beginnen darüber nachzudenken, wo dereinst ihr eigenes Abschiedsessen stattfinden sollte. Es folgt - nächste Szene - ein Dialog zwischen zwei Angestellten, der in irrwitzigen Wiederholungsschleifen ausschließlich um die Temperaturregelung der Büro-Klimaanlage mäandert.

Im dritten Teil tritt endlich Erika auf, die von der Belegschaft eingeladen wird, eine Abschiedsansprache zu halten. Sie erzählt, wie sie morgens nach dem Aufstehen eine Zikade erblickte und es nicht mehr zu verhindern war, dass sie mit dem Stöckelschuh darauftrat. Was ihr das Problem bescherte, ihren Absatz reinigen zu müssen, wobei ihr eine Katze half, die das zermanschte Insekt verschlang.

Eine bissige Metapher, die umso schmerzlicher erscheint, je länger Erika lächelnd und mit gestresster Stimme darauf, ja, herumkaut, während ihr Körper in quälenden Höflichkeitsverkrümmungen auf der Stelle hampelt. Das streift Ideen des absurden Theaters, erinnert ein wenig an Meg Stuarts legendäre Choreografie "Visitors Only" und erscheint doch eigenständig.

Toshiki Okadas Figuren bewegen sich weder zu der Musik, die permanent im Hintergrund läuft, noch zum gesprochenen Text. Ihr Tanz wird vielmehr durch Bilder aus der jeweiligen Szenensituation getriggert.

Tonomi Ohiras gespenstische schattengenerierende Lichtprojektion und das Musikkonzept mit ungeschnittenen Stücken von John Cage, Stereolab, Tortoise und John Coltrane unterstreichen die Auflösung der Welt in der Hölle des Kapitals. (Helmut Ploebst  / DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2010)