Bild nicht mehr verfügbar.

Der liebste Feind: US-Finanzminister Timothy Geithner wird von Demonstranten bei einer Senatsanhörung überrascht. Viele sehen in Geithner einen reformunwilligen Handlanger der Wall Street.

Foto: Reuters/Downing

Die Finanzmarktreform von US-Präsident Barack Obama dürfte noch im Juli beschlossen werden, doch Lobbygruppen kämpfen bis zuletzt gegen unangenehme Passagen. Starker Widerstand kommt von den Demokraten selbst.

***

Washington - Die Schwergewichte der New Yorker Politik haben lange gewartet, aber rechtzeitig zu Beginn der finalen Verhandlungen über die Wall-Street-Reform sind sie doch in den Ring gestiegen. Der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, und eine Gruppe New Yorker Demokraten warnen den Kongress in Washington in drei separaten Briefen davor, Banken zu stark zu beschneiden. Die Kreditinstitute könnten "Geschäfte im Wert von 600 Billionen Dollar ins Ausland verlagern", heißt es in einem der Schreiben.

Zwei Vorlagen

Dass die New Yorker Politspitze gegen die Finanzreform mobilmacht, setzt die Reformer stark unter Druck. Das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben zwei unterschiedliche Reformvorlagen verabschiedet, ein gemeinsames Komitee versucht in den nächsten Tagen die Gesetze in Einklang zu bringen.

Die Banken stemmen sich derzeit gegen einen Vorschlag der demokratischen Senatorin Blanche Lincoln. In einer von Lincoln eingebrachten Klausel ist vorgesehen, dass Banken nur mehr dann auf staatliche Hilfe hoffen dürfen, wenn sie riskante Derivatgeschäfte auf Tochtergesellschaften ausgliedern. Eine Einlagenbank dürfte dann beispielsweise keine Kreditversicherungsgeschäfte (CDS) mit spekulativem Charakter abschließen.

"Die Pläne von US-Präsident Barack Obama, die Wall Street zu reformieren, sind weit gekommen, weiter, als viele gedacht haben", sagt Ed Mierzwinski, einer der wenigen Pro-Reform-Lobbyisten in Washington, dem STANDARD. "Aber nun wächst der Druck." Mierzwinski sieht nicht nur die Lincoln-Klausel in Gefahr, er fürchtet auch, dass die geplante US-Konsumentenschutzbehörde im letzten Moment viele ihrer Kompetenzen verlieren könnte.

Verbraucherschutz

Senat und Repräsentantenhaus wollen beide eine Consumer Protection Agency, die vor allem darauf achten soll, dass Verbraucher bei Finanzierungsgeschäften nicht über den Tisch gezogen werden. Doch von der Zuständigkeit der Agency soll es zahlreiche Ausnahmen geben: Die Autoindustrie könnte von der Aufsicht ebenso ausgenommen werden wie der Immobilienbereich.

Bereits in den vergangene Wochen wurden mehrere Kernpunkte der von US-Präsident Barack Obama eingeforderten Wall-Street-Reform gestrichen oder verwässert. Bei den Ratingagenturen wurde die schärfere Vorlage aus dem Senat abgelehnt, die verhindern sollte, dass Unternehmen jene Ratingfirma auswählen, die ihnen die beste Bonität verschafft. Übriggeblieben ist überhaupt nur mehr eine Klausel, wonach Investoren Ratingfirmen bei schweren Verfehlungen verklagen können - ob das mit der US-Verfassung in Einklang zu bringen ist, bleibt aber umstritten.

Eine direkte Bestellung des Chefs der New Yorker Notenbank durch Präsidenten und Senat wird es auch nicht geben. Abgeschwächt - aber nicht ganz gestrichen - wird dagegen das Recht des Kongresses, die Fed-Vertreter zu ihrer Zins- und Geldpolitik verstärkt zu befragen.

Wenig übrigbleiben dürfte auch von der Idee von Präsident Obamas Wirtschaftsberater Paul Volcker, Geschäfts- und hohes Risiko fahrende Investmentbanken strikter voneinander zu trennen. Volcker hätte Geschäftsbanken etwa untersagt, massiv in riskante Hedgefonds zu investieren. Im Repräsentantenhauses wurde diese Volcker-Regel ganz gekippt, im Senat stark abgeschwächt.

EU rudert zurück

Aber nicht nur in den USA wird zusehends die Bremse gezogen, auch die EU rudert zurück. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europaparlament beschloss kürzlich ein späteres Inkrafttreten höherer Eigenkapitalvorschriften für Banken.

Wegen der Verzögerungen in den USA sollen höhere Anforderungen erst Mitte statt Anfang 2011 gelten. Im Kern geht es dabei um die Unterlegung von als risikoträchtig geltenden Handelsaktivitäten und Verbriefungen der Banken mit Eigenmitteln, die durch eine neue Richtlinie (Capital Requirement Directive III) massiv erhöht wird. Zuvor hatten Banken heftige Lobby-Arbeit bei den Abgeordneten geleistet.

Bei der Richtlinie geht es um Sofortmaßnahmen, mit denen die Politik auf die Krise reagierte. Zudem sind auch die grundlegenden Reformen zur Anhebung der Kapitalpolster der Banken, die vom sogenannten Basler Ausschuss erarbeitet werden, gefährdet. Ein Aufschrei des Finanzsektors gegen die geplante Regulierung blieb nicht ohne Folgen: Wie der Chef des Ausschusses, Nout Wellink, kürzlich andeutete, soll der Industrie mehr Zeit für die Umsetzung der Pläne gegeben werden. Zudem dürfte es auch zu inhaltlichen Lockerungen kommen. (Andreas Schnauder, András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.6.2010)