Wien - Die Biene fliegt nicht mehr. Die kalte Witterung zwingt sie seit Monaten zur Untätigkeit. In ganz Europa füttern Imker Millionen an Arbeiterinnen durch. Blüten bleiben unbestäubt, die Honigvorräte leeren sich. Die Situation sei dramatisch, sagt Helmut Gratschmaier, viele Bienenvölker sammelten seit April gerade einmal ein Zehntel der üblichen Menge an Nektar, was den Preis hierfür jetzt um 40 Prozent nach oben schießen lässt.

Der Salzburger ist mit der Marke Honigmayr neben Darbo Österreichs größter Honiglieferant. Dieses Jahr werde er seine Mengen jedenfalls einschränken müssen, da auf den Märkten kein Honig zu bekommen sei. Jener aus der Akazie falle ganz aus, auch vom Raps sei nichts zu holen. Selbst aus Argentinien und Chile komme nur die halbe Menge, und auf Honig aus China könne er gerne verzichten. Da stimme die Qualität nicht, von Antibiotikaspuren nicht zu reden. Die Preissteigerung sei enorm, bestätigt Martin Darbo - sie an Kunden weiterzugeben aber schwer.

Dass Bienen so großflächig auslassen, habe er bisher noch nie erlebt, meint Gratschmaier, und die Folgen seien vielfach ablesbar. Bei Wachauer Marillen etwa, die spärlich bestäubt und vom Regen malträtiert heuer nur ein knappes Gut sein werden. Konfitürenhersteller Hans Staud rechnet mit einer um bis zur Hälfte schmäleren Ernte.

Aber auch für Äpfel, Birnen und Zwetschken könnte es düster aussehen, schwärmen die Bienen aus ihren Stöcken nicht bald aus. Dezimiert werden die Bestände freilich nicht nur durch widrige Witterung: Vom Staat geförderte gebeizte Saat und Pestizide machen ihnen ebenso den Garaus wie Hagelschutznetze der Plantagen. Zudem werden die Imker seit Jahren weniger, ihre Blütezeit ist mangels Nachwuchs vorbei. Manch Bauer zahlt daher für die fruchtbringende Bestäubung der Felder, für Bienen, die "als Söldner" arbeiten.

Nicht nur sie, auch die Landwirte sahen sich zuletzt zum Nichtstun verurteilt. In den vergangenen 45 Tagen habe er es lediglich an fünf aufs Feld geschafft, sagt Johann Ackerl, der für gut 150 Bauern Biogemüse an Handelsketten vertreibt und auch selbst Erdäpfel und Zwiebel anbaut. Der viele Regen habe seine Äcker unbefahrbar gemacht und bei den Frühkartoffeln die Erträge zum Teil halbiert. "Ich habe so etwas in den vergangenen 25 Jahren nicht erlebt."

Bioerdäpfel gehen aus

Ackerl erzählt von Feldern, auf denen die Enten schwimmen und Ausfällen von Spanien bis Italien. Der im Vorjahr starke Überhang an Bioerdäpfeln aufgrund hoher Importe aus Israel und Ägypten habe sich mittlerweile ins Gegenteil gekehrt. Einzelne deutsche Handelsketten etwa müssten sie aufgrund fehlender Menge derzeit aus dem Sortiment streichen. In einen einhelligen Klagechor der Landwirte will Ackerl dennoch nicht einfallen. Es sei zu früh, um die gesamte Ernte schlecht zu reden. Zumal mit tristen Prognosen ja auch gerne Marktpolitik betrieben werde.

Das Attest der Landwirtschaftskammer für die Ernte entbehrt jedenfalls der Dramatik: Bei Getreide zeichne sich überdurchschnittlich hoher Ertrag ab, regional gebe es aber Qualitätsprobleme. Ähnliches gelte fürs Grünland. Soja und Mais seien heuer spät dran. Übler erwischt habe die nasse Kälte Gemüse, Obst und Wein. Alles in allem blieben die Preise jedoch auf einem niedrigen Niveau, ist Referentin Andrea Zetter überzeugt.

Für die Lebensmittelbranche ist das Thema Obst aber noch lange nicht gegessen. Die Erdbeeren et-wa seien abgesoffen, Kirschen aufgeplatzt und Beeren ein Nährboden für Pilze. Die geringere Ernte und Qualität erhöhten die Preise, sagt Josef Domschitz vom Verband der Lebensmittelindustrie. Manch Verarbeiter weicht nun auf Beeren aus China und Afrika aus.

Ybbstaler-Chef Stephan Büttner verarbeitet in Polen derzeit acht Mio. Erdbeeren zu Konzentrat. Die Aufregung um höhere Preise versteht er nicht. Nach einem "ungesund tiefen Niveau" im Vorjahr sei nun alles im grünen Bereich. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2010)