Bild nicht mehr verfügbar.

Inklusive Kardinal Christoph Schönborn feierte die Bischofskonferenz am Mittwoch eine Messe in Mariazell. Danach gab es demütige Gesten gegenüber Opfern von Missbrauch in der Kirche

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER
Foto: STANDARD

Mariazell – Die katholische Kirche hat am Mittwoch einen "Rahmenplan" gegen Missbrauch und Gewalt in ihren Reihen vorgestellt. Eingerichtet werden soll eine "Stiftung Opferschutz", um Entschädigungen "rasch und unbürokratisch" zu bezahlen. Kirchenbeiträge sollen dafür aber nicht verwendet werden, sagt Wiens Kardinal Christoph Schönborn. Vielmehr soll das Geld bei den Tätern zurückgeholt werden. Mutmaßlichen Tätern droht bei begründetem Verdacht die Suspendierung, eine Anzeigepflicht ist nicht geplant.

Mariazell – Es sind exakt 63 Seiten, die die Österreichische Bischofskonferenz in den drei Tagen ihrer Sommervollversammlung in Mariazell beschäftigt haben. Mittwochnachmittag präsentierte der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn das bereits mit Spannung erwartete Maßnahmenpaket der Kirche gegen Missbrauch und Gewalt. Die Wahrheit wird euch frei machen ist der Titel des für alle Diözesen verbindlichen Positionspapiers.

Dienstfreistellung bei Verdacht

Für den Weg der Wahrheit erlegt sich die Kirche darin deutlich schärfere Richtlinien auf. So wird es künftig in allen Diözesen neben den bereits bestehenden Ombudsstellen, an die Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs gemeldet wurden, eine eigene Kommission geben, die weitere Konsequenzen mit dem Bischof berät. Bei begründetem Verdacht wird der mutmaßliche Täter bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts dienstfrei gestellt. "In den Komissionen werden künftig ganz unterschiedliche Personen sitzen – vom Juristen bis hin zur Dame von der Telefonseelsorge ist da alles möglich", erläutert Schönborn.

Keine Anzeigenpflicht

Nicht durchgerungen haben sich die Bischöfe zu einer Anzeigenpflicht für alle Kirchenmitarbeiter. Aber man ist zumindest um eine verstärkte Einbindung weltlicher Gerichtsbarkeit bemüht. Schönborn: "Erhärtet sich ein Verdacht, empfiehlt die Ombudsstelle zunächst dem Opfer, Anzeige zu erstatten. Und die kirchlichen Leitungsverantwortlichen werden in solchen Fällen den mutmaßlichen Täter zur Selbstanzeige auffordern. Besteht die Gefahr, dass weitere Personen zu Schaden kommen, wird auf Initiative der Kirche der Sachverhalt zur Anzeige gebracht."

"Sind bitte nicht in den USA"

Beschlossen wurden erstmals auch Entschädigungszahlungen an Opfer kirchlicher Gewalt. Vor dem Hintergrund drohender Klagen kündigten die Bischöfe in Mariazell eine "Stiftung Opferschutz" an. Diese soll künftig in "von der unabhängigen Opferschutzanwaltschaft oder den Ombudsstellen geprüften" Fällen für Therapiekosten sowie allfällige Schmerzensgeld- und Schadensersatzzahlungen "finanziell in Vorlage treten". Schönborn: "Uns geht es darum, dass die Opfer rasch und unbürokratisch Entschädigung bekommen. Wir wollen lange Verfahren verhindern und schnell Mittel freisetzen."

Geld kommt nicht aus Kirchenbeiträgen

Dotiert wird die Stiftung zur Hälfte von den Diözesen, weitere 50 Prozent steuern die Orden bei. Konkrete Summen wollte der Kardinal aber nicht nennen. "Zumindest für die Diözesen kann ich sagen, dass das nötige Geld nicht aus Kirchenbeitragsmitteln kommt. Es sind diese Entschädigungszahlungen auch keine gesetzliche Vorgabe, vielmehr eine freiwillige Leistung – die wir aber natürlich als rechtens und angemessen sehen", so Schönborn.

Zurückholen will sich die Kirche das Geld auch von den Tätern selbst. Schönborn: "Natürlich werden wir diese Personen haftbar machen. Dann wird abgerechnet – beim Täter oder einer verantwortlichen Einrichtung."

Keine Entschädigungs-Summen wie in den USA

Möglichen Klagen sieht der Wiener Erzbischof aber gelassen entgegen: "Wir sind bitte nicht in den USA. Aber jeder kann den österreichischen Rechtsweg gehen." Kolportierten Entschädigungs-Summen von bis zu 130.000 Euro pro Opfer erteilt der Kardinal a priori eine Absage: "Wir werden uns nicht an Vorgaben von Rechtsanwälten halten, die sich derzeit lautstark zu Wort melden. Wir richten uns nach den Empfehlungen der unabhängigen Opferschutzanwaltschaft."

Ziel, den Opfern Hilfe zukommen zu lassen

Sichtlich stolz präsentierten die katholischen Würdenträger das präsentierte Regelwerk. Der Maßnahmenkatalog gegen Missbrauch und Gewalt habe als primäres Ziel, den Opfern "Gerechtigkeit und Hilfe zukommen zu lassen". Der eingeschlagene Weg sei der richtige, Schönborn sieht einen "Neuaufbruch" in der Kirche: "Die Mauer des Schweigens müsse durchbrochen werden."

Staatliche Einrichtung wäre angebracht

Der Kardinal spricht sich auch für die Errichtung einer staatlichen Kommission zur Behandlung von Missbrauchsfällen aus. "So eine Einrichtung wäre angebracht, auch wenn der Bundeskanzler da anderer Meinung ist."(Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 24.6.2010)