Wien - Horst Prentler findet die Kritik ungerecht. Schließlich, betont der Geschichte-und Turnlehrer am Gymnasium in der Billrothstraße 26-30, habe er "wortwörtlich jene Formulierung übernommen, die die Israelitische Kultusgemeinde verwendet." Denn dass in Auschwitz nicht einfach "gestorben", sondern systematisch gemordet worden ist, weiß Prentler. Und er wäre der Letzte, der die Verbrechen der Nationalsozialisten herunterreden oder gar in Abrede stellen würde: "Die Geschichte der jüdischen Schüler unserer Schule hat bisher noch niemand nachrecherchiert." Prentler hat - und das Resultat ist derzeit im Döblinger Traditionsgymnasium im Rahmen einer Ausstellung über die nun 100-jährige Geschichte der Schule zu sehen.

Inge Astruck hat sich die Ausstellung angesehen. Nicht nur weil sie in der Nähe der Schule wohnt, sondern auch weil sie dort gelernt hat - zumindest solange sie durfte. 1942 wurde die damals 14- Jährige von der Schule verwiesen: "Die Schülerin wird aufgrund des Erlasses des Herrn Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 2. Juli 1942 E II e 1597 von der höheren Schule verwiesen" steht im Abgangszeugnis. Der darin angeführte Erlass "reinigte" die höheren Schulen von "Mischlingen".

In der Ausstellung, moniert die Pensionistin, kämen ebenjene Opfer der NS-Rassenpolitik mit keinem Wort vor. Umso mehr habe sie sich an der Auschwitz-Formulierung an einer anderen Stelle der Schau gestoßen. "Zunächst habe ich gedacht, es zahlt sich nicht aus, sich aufzuregen - aber ich glaube, wir verdienen es, dass darauf hingewiesen wird, dass man uns von der höheren Bildung ausgeschlossen hat."

Die Matura holte Astruck nach Kriegsende nach. In Kursen, für die das befreite Österreich die Opfer zur Kasse bat.

Exerzieren im Hof

Böse Absicht, betont sie, wolle sie dem Ausstellungskurator keinesfalls unterstellen: Angesichts ihrer Geschichte schmerze es sie aber, dass nirgendwo erwähnt sei, mit welchem glühenden Eifer jene Schuldirektorin, die sie von der Schule warf, die Schüler im Schulhof exerzieren ließ. Oder in Ansprachen den Durchhaltewillen und Endsieg beschwor. Die Dame werde lediglich als "hager" beschrieben. Auch ihre Schuhgröße sei angeführt. "Sie hat sich 1945 umgebracht - das wird mit keinem Wort erwähnt."

Sein Wissen über die Geschichte der nach 1938 aus der Schule geworfenen Schüler, erklärt Geschichtelehrer Prentler, könne nicht vollständig sein: 143 jüdische Schüler hätten nach dem Anschluss die Billrothstraße verlassen müssen. 15 hätten ihm - während er zwei Jahre lang auf der ganzen Welt suchte - schließlich geantwortet. Darüber, was ab 1939 an der Schule geschehen sei, hätten diese Überlebenden ihm logischerweise nichts sagen können. "Mir ist bewusst, dass das lückenhaft ist. Und ich bin sehr froh, wenn uns jemand hilft, diese Lücken zu schließen." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 22.04.2003)