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Polizeiopfer Michael Brennan muss weiter warten: Die Affäre in der U-Bahn wächst sich aus und wird ein Fall für das Strafgericht.

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Mit einem Knalleffekt endete am Donnerstag der Prozess im Fall Brennan. Angeklagt war jener 36-jährige Polizist, der am 11. Februar 2009 den Sportlehrer in einer Wiener U-Bahn-Station niedergeworfen und dabei verletzt hat. Vor dem Bezirksgericht Josefstadt stand er wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Am späten Nachmittag erklärte sich die Richterin Margaretha Richter dann aber für unzuständig. Denn im Gegensatz zum Staatsanwalt ist es für die Richterin denkbar, dass der Polizist zumindest mit dem bedingten Vorsatz der Körperverletzung seine Attacke gestartet hat - ein schwereres Delikt, das im Straflandesgericht verhandelt werden muss.

In den Stunden davor stellte sich Christian S., 36-jähriger Beamter, der mittlerweile in Kärnten Dienst versieht, als Opfer widriger Umstände dar. Er wollte mit einem Kollegen einen farbigen Dealer festnehmen. Der befand sich mit seinem Kollegen einen U-Bahn-Waggon weiter (siehe Skizze). Dass ein zweiter Schwarzer in der Garnitur war, merkte er erst, als es zu spät war.

Seine Darstellung: Als er, in Zivil, aus dem Zug ausstieg, hatte er seine Kokarde um den Hals hängen und ging auf Brennan zu. Die Personenbeschreibung passte nach seiner Aussage, sein Kollege habe über Funk noch gesagt "Er kommt direkt auf dich zu" - er meinte aber den wahren Verdächtigen, der hinter Brennan war. S. sagt, er gab sich mit "Stop, Police. You're under arrest" zu erkennen. So laut, dass ihn sein Kollege sowie der Dealer am anderen Ende des Waggons hörten. Brennans Reaktion: keine.

Am Boden fixiert

Der Polizist, Funkname "Schoko" , habe Brennan dann an der Jacke gepackt und dieser habe "eindeutige Anzeichen eines sich anbahnenden Fluchtversuchs" gemacht. Wie so etwas aussieht, will die Richterin wissen. "Er hat sich angespannt und weggeduckt." Er warf Brennan zu Boden und fixierte ihn.

Über die Art der Identifikation ist die Richterin höchst verwundert. Ob er nicht seine Kokarde hochgehalten habe, um sich auszuweisen? Ob es die übliche Reaktion sei, einen Verdächtigen, der nicht sofort reagiert, zu Boden zu reißen? Nein und "Ja, mein Gegenüber war ja deutlich größer als ich" , lauten die Antworten.

Michael Brennan, der als Footballspieler Erfahrung mit Angriffen hat, widerspricht. "Das ist absolut nicht wahr" , schildert er. Als der Zug einfuhr, habe er seine wartende Freundin gesehen, während er mit ihr telefonierte. "Ich bin ausgestiegen und habe weitertelefoniert, kurz nach rechts geschaut und bin plötzlich aus dem toten Winkel heraus zu Boden geworfen worden." Ohne Vorwarnung. "Das Gesicht des Mannes habe ich erst gesehen, als er auf mir war" , schildert der bullige US-Amerikaner. Der Polizist habe auf ihn eingeprügelt. Erst nach einiger Zeit habe man von ihm abgelassen. Kurz darauf spürte er Schmerzen. Die Diagnose: Bruch von zwei Lendenwirbelkörper-Querfortsätze, Rippen- und Schädelprellung sowie eine Nackenzerrung.

Allerdings: Von gröberen Hämatomen oder einem Cut im Gesicht findet sich in den Befunden nichts. Nicht ganz klar ist auch, warum Brennan seinen Angreifer überhaupt nicht sah. Denn ein Selbstversuch zeigt, dass der Polizist mindestens fünf Sekunden brauchte, um zu Brennan zu gelangen - das Opfer hätte also die ganze Zeit nach rechts, weg von seiner wartenden Freundin, blicken müssen.

Umgekehrt mögen die Richterin und Brennans Anwalt Wilfried Embacher nicht glauben, dass der Polizist nicht bemerkte, dass der Farbige telefonierte - was die Rufdaten bestätigen. Seltsam scheint auch, dass sich S. offenbar über Brennans Reaktionslosigkeit gar nicht wunderte. Obwohl er laut geschrien haben muss, damit ihn sein Kollege am Ende des Waggons noch hören könnte. (Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 25.6.2010)