Wien - "Faust, wie hältst du es mit China?" - so könnte die Gretchenfrage der europäischen Außenpolitik lauten. Denn wer mit dem Riesenstaat Handel treibe, ohne Menschenrechtsverstöße dort anzusprechen, mache sich mitschuldig, monieren Kritiker.

Allerdings müsse man sich fragen, ob durch den Abbruch von Beziehungen zu China die Menschenrechte besser geschützt würden, erwiderte Hans Winkler, Leiter der Diplomatischen Akademie, bei einem Europagespräch am Juridicum über "Werte in der Außenpolitik", moderiert von Standard-Redakteur Eric Frey. Eine nur nach Idealen ausgerichtete EU-Politik sei nicht möglich, denn schon in der Präambel des Lissabon-Vertrags stehe, dass die EU im Ausland nicht nur ihre Werte schütze, sondern auch ihre Interessen, so Winkler.

Kleinster gemeinsame Nenner

Heinz Patzelt (Amnesty International Österreich) forderte von der EU stärkeres Auftreten ein: "Die EU-Außenpolitik ist oft der kleinste gemeinsame Nenner aller lokalen Interessen." Die EU verfolge zwar bei der Todesstrafe eine konsequente Linie, wäre aber sonst durch Uneinigkeit geschwächt. Patzelt warnte davor, dass in Zukunft weltpolitische Entscheidungen nur noch zwischen den USA und China ausgemacht werden.

Auch der Wiener Menschenrechtsexperte Manfred Novak, UN-Sonderberichterstatter über Folter, wünscht sich eine einheitliche EU-Position in der UN-Menschenrechtskommission, wo etwa bei Abstimmungen zu Israel EU-Staaten mit Ja, Nein und Enthaltung gestimmt hätten. Dies werde durch den Lissabon-Vertrag erleichtert, weil nun auch ein EU-Vertreter am Tisch sitzt, betonte Richard Kühnel, Leiter der EU-Vertretung in Österreich.  (fan, DER STANDARD, Printausgabe 28.6.2010)