Anreise: Zielflughafen für die Cevennen ist Marseille - angesteuert überwiegend mit Umsteigen in Frankfurt, München oder Paris z. B. von Lufthansa und Air France, Tickets realistisch ab rd. 150 €. Von dort aus ist ein Leihwagen erforderlich - z. B. ab 240 € / Woche bei Sunny Cars.

Foto: ATOUT FRANCE/Jean Malburet

Montpellier lockt vor allem mit den nahegelegenen Camargue-Stränden z. B. von Palavas-les-Flots nur neun Kilometer vom Stadtzentrum.

Foto: ATOUT FRANCE/R-Cast/Architecte Ricardo Boffill

In Nîmes lohnt sich eine Besichtigung der zahlreichen römischen Ruinen, darunter des Amphitheaters aus dem 1. Jahrhundert.

Foto: ATOUT FRANCE/R-Cast

Übernachtung z. B. in "Mas Nouveau" bei Genolhac ab 60 € pro Doppelzimmer / Nacht.

Foto: Mas Nouveau

Im "Lou Pradel" bei Saint-Germain-de-Calberte ab 73 € / DZ. Bei den sogenannten Chambre d'Hôte-Quartieren wohnt man in Gästezimmern bei Privatvermietern. Üblicherweise kocht der Wirt für alle Gäste des Hauses. Dafür ist ein Aufpreis fällig, der zumeist unter Restauranttarifen liegt. Gleichwohl kann jeder selber entscheiden, ob er das Essen mitbuchen oder da-rauf verzichten möchte. Weiteres Quartier: "Mas de la Barque" (auf dem Mont Lozère ab 40 € / DZ).

Foto: Lou Pradel

Der Weg zu den Sternen hat viele Kurven und keinen Mittelstreifen. In endlosen Serpentinen führt er hinauf zum Firmament. Er windet sich auf schmalen Straßen durch winzige Dörfer. Fahles Licht fällt Momente lang aus ein paar Fensteröffnungen. Aus einer geöffneten Haustür klingen Chansons, deren Melodien schon ein paar Meter weiter in der Dunkelheit verlorengehen. Und am Ende, viele Windungen später und immer höher, wenn die Sterne durchs Schiebedach ins Auto zu fallen drohen, wird der Asphalt rissig. Nun führt die Piste nur noch an zwei schlafenden Eseln in einem Gatter vorbei in die Hofeinfahrt: endlich angekommen, hoch oben in den Cevennen, gut 100 Kilometer im Hinterland der französischen Mittelmeerküste.

Sind die Autoscheinwerfer abgeschaltet, ist es schwarz neben der massigen, festungsartigen Hauswand der Herberge. Die nächste Stadt ist weit, sogar das nächste Dorf. Nichts als Bergwiesen und Wälder spannen sich hier oben auf gut 1200 Meter Höhe über Täler und Berge. Nichts bricht das Licht des Nachthimmels - und eigentlich mag gerade keiner so recht an der Haustür des aus aufeinandergestapelten Natursteinen errichteten Hofes klopfen und das reservierte Zimmer beziehen: weil es über dem Bett eine Holzdecke haben wird, die diesen Blick versperrt. Aber es hat Fenster - und wie wenn ein Bühnenvorhang weit oberhalb des Dörfchens Genolhac langsam aufgeschoben wird, hebt sich ein paar Stunden später der Morgennebel aus dem Tal, gibt den Blick auf grüne Wiesen frei, löst sich ins Nichts auf, während die Tannen weit im Hintergrund immer mehr zu werden scheinen. Die beiden Hofhunde Balthasar und Denise bellen, einer der namenlosen Esel an der Einfahrt antwortet resolut in seiner Sprache.

Weite Teile der Cevennen, gut 50 Kilometer westlich von Nîmes, 60 nördlich von Montpellier und 120 nordwestlich von Marseille, sind als Nationalpark seit 1970 unter besonderen Schutz gestellt.

Dem Tourismus setzt die Natur hier von jeher enge Grenzen. Straßen führen in der schwer zugänglichen Mittelgebirgsregion noch längst nicht überallhin. Es leben hier zu wenige Menschen, als dass man je vorgehabt hätte, allzu viele Pisten zu bauen - zumal das kein leichtes Unterfangen ge- wesen wäre. So blieb es bei den schmalen Fahrwegen, die irgendwann an die Abbruchkante aus Schiefer geklebt oder und in den Kalkstein gestemmt wurden: vielfach nur anderthalb Spuren breit, ein Parcours für den Geschicklichkeits- und Reaktionstest, wann immer hinter einer der vielen Kurven Gegenverkehr auftaucht. Und fast betet man, es mögen dort diesmal weder Schulbus noch Milchlaster lauern ...

Diese Serpentinen sind - zumindest aus Richtung Westen kommend - so etwas wie ein Trichter, und hindern viele daran, weiter vorzudringen in diese Berge. Von Süden und Osten ist die Anfahrt einfacher. Die Randgebiete der Cevennen sind beliebtes Ausflugsziel - aber je tiefer man sich in den Märchenwald hineinschraubt, je höher hinauf, desto einsamer wird es. Hotels gibt es bald fast keine mehr, nur noch Pensionen und sogenannte Chambres d'Hôtes, die französische Variante der Bed-&-Breakfast-Idee. Das sind Privathäuser mit ein paar Fremdenzimmern in den Dörfern oder abgelegene Gehöfte. Es sind Leute wie Christine Gerbino, die sich hier neu niedergelassen haben - Zugewanderte, die die Ruinen von Einödhöfen erstanden haben, zwei Esel anschaffen, mit ein paar Hunden einziehen, die jahrhundertealten Häuser mit viel Herzblut und reichlich Eigenarbeit restaurieren und nebenbei Zimmer vermieten. Abends kochen diese Vermieter für ihre Gäste, tischen in ausgebauten Scheunen oder restaurierten Weinkellern mehrgängig auf: vorweg zum Beispiel saftigen Cevennen-Schinken mit Gemüse aus dem eigenen Garten, dann herzhafte Steaks vom Grill oder mit Lavendelhonig bestrichenes Hühnchenfilet, gebacken mit einen frischen Rosmarinzweig, zum Abschluss Käse aus dem nächsten Dorf. Dazu gibt es leichten Landwein aus den tieferen Regionen.

Worauf man sich dabei einlässt, weiß man bei der Buchung nie so genau. Es hängt ganz von Ideenreichtum und Kochkünsten der Gastgeber ab - und davon, was gerade vorrätig ist. Wer sich aber auf dem Nachhauseweg den Geschmack der Cevennen kaufen und ihn mitnehmen will, biegt rechts oder links ab, wann immer ein Schild auf den Verkauf hausgemachter Marmeladen oder von Gebirgshonig aus eigener Imkerei auf einem der Höfe, auf Wurstwaren oder Käse aus eigener Herstellung hinweist. Wo das eigene Französisch nicht reicht, wird man sich mit Gesten einig, lacht, probiert, kauft nochmal mehr.

Aus den Felsen gurgeln derweil immer wieder kühle Quellen, stürzen Kaskaden talwärts, die wie aus der Fernsehwerbung für Sprudel schillern, über glatte Felsen rollen, über hellgrüne Moose rinnen. An der Wetterseite der Bäume kleben feuchte Flechten, und mitten durch die Wälder winden sich Wanderwege, führen zu kleinen Picknickplätzen an Aussichtspunkten - oder hinab in die Schluchten.

Balthasar interessiert sich nicht mehr sonderlich dafür. Christine Gerbinos Hofhund ist schon durch so viele Gebirgsbäche getobt, hat unter zahllosen Wasserfällen gebadet, dass ihm jetzt das eigene Revier genügt. Allenfalls eine Erfrischung im Gartenteich gönnt er sich. Schließlich ist er im Dienst, muss die beiden Esel zur Ordnung rufen, den Parkplatz bewachen, neue Gäste lautstark ankündigen, Heimkehrer begrüßen. (Helge Sobik/DER STANDARD/Printausgabe/26./27.06.2010)