In den 1970er-Jahren als reiner "Textgrammatiker" begonnen zu haben, dafür schämt sich einer der wichtigsten Begründer der Kritischen Diskursanalyse heute. Das einmal ausgesprochen, erklärt der Niederländer Teun van Dijk aber auch gleich, was ihn so gestört hat an den linguistischen Strukturalisten der 1960er-Jahre: Ihr Ansatz erschien ihm geradezu impressionistisch, also ein wenig zu beschaulich, um über die Reproduktion sozialer Ungerechtigkeit in öffentlichen Diskursen zu reden.

Mit dem deutschen Psychologen Walter Kintsch ging er deshalb schon bald (von 1973 bis 1983) ein Abenteuer ein, das nicht marxistische Grundlagen für Erklärungsnotstände bemühte, sondern erstmals die Psychologie an die Diskursanalyse band. Er glaubte, dass es zwischen Diskurs und Ideologie noch ein Missing Link geben müsse, da bestimmte Denkmuster eben nicht immer analoge Diskurse bedingen. Sein normativer Ansatz mit problemorientierten Methoden lässt sich mit einem Dreieck beschreiben: Jede Seite - Diskurs, Kognition und Gesellschaft - steht in einem Verhältnis zu den anderen: Mentale Erklärungen dafür, warum Diskurse wie geführt werden, ergeben ohne soziale Argumente keinen Sinn.

Untersucht hat van Dijk mit diesem soziokognitiven Ansatz vor allem die Reproduktion von Rassismen in öffentlichen Diskursen: Dazu zählen parlamentarische Debatten, journalistische oder wissenschaftliche Texte, aber auch Kinderbücher. Mit seinem derzeitigen Forschungsstandort Barcelona hat sich van Dijk verstärkt eines interessanten Phänomens angenommen: Die spanische Tagespresse, wiewohl mit einem starken demokratischen Impuls gegen die Diktatur Francos gegründet und ohne nennenswerte Entwicklung rechter Boulevardblätter, reproduziert dennoch Stereotype in gleichem Maß wie andere europäische Medien. Festgemacht hat er das auch an der rhetorischen Diskussion über die Mohammed-Karikaturen, die "unsere" Pressefreiheit durch "deren" religiösen Fanatismus gefährdet sieht und künstlich einen "Kampf der Kulturen" heraufbeschwört. Es ergeben sich für ihn europäisch-elitäre Rassismen, die mit rechtsextremen nur wenig gemein haben. (saum, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. Juni 2010)