Martin Schennach analysiert legislative Prozesse.

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Gesetze waren bis weit ins 18. Jahrhundert hinein nicht die dominierende Rechtsquelle. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war das Gewohnheitsrecht wichtiger und ausreichend. Ab dem 15. Jahrhundert erzeugten jedoch zunehmend komplexe und damit störanfällige soziale und wirtschaftliche Verflechtungen in einer arbeitsteiligeren Gesellschaft Steuerungsbedarf, auf den der sich entwickelnde Staat mit Gesetzesproduktion reagierte, berichtet Martin P. Schennach, Rechtshistoriker an der Universität Innsbruck. "Über die zunehmende Gesetzesflut klagt man seit dem 16. Jahrhundert und tut es bis heute", sagt der Innsbrucker, der für seine Habilitation über die Entstehung des Gesetzgebungsstaates am Beispiel Tirol zuletzt den Liechtensteinpreis erhielt. Die Ergebnisse seiner Arbeit sind - von einzelnen regionalen Besonderheiten abgesehen - für den deutschsprachigen Raum repräsentativ.

Erlassen wurden Gesetze damals im Namen des Landesfürsten. Neben Zentralbehörden waren auch die Landstände beteiligt. Ebenso konnten die Normadressaten durch Bitt- und Beschwerdebriefe Regelungsbedarf aufzeigen und Veränderungen der Gesetzeslage herbeiführen. Auch Lobbying war nicht unbekannt.

Die Analyse des legislativen Prozesses zeigt, dass schon im 16. und 17. Jahrhundert wirtschaftlich potente Gruppen versuchten, Gesetzgebungsakte in ihrem Sinne zu beeinflussen. Seine Forschung zur Formierung des frühmodernen Staates ist durchaus aktuell angesichts der Transformation des heutigen Staates.

Schließlich verlieren im europäischen Integrationsprozess und durch die Globalisierung nationalstaatliche Gesetze an Bedeutung. Zuletzt hat Martin Schennach, hauptberuflich Historiker im Tiroler Landesarchiv, anlassbezogen eine Monografie über den Tiroler Aufstand 1809 - Stichwort Andreas Hofer - verfasst.

Dies ist nur vermeintlich ein erschöpfend behandeltes Thema, wie er findet. Es erstaunt den 34-Jährigen immer wieder, "wie wenig sich das juristische Denken und die Herausforderungen seit dem 13. Jahrhundert verändert haben. Gerade die Gesetzgebung der Frühneuzeit erweist sich angesichts des Ausgreifens gesetzlicher Regelungen in bisher rechtlich nicht erfasste Lebensbereiche und einer Steigerung der Regelungstiefe auch als Experimentierfeld der Moderne." Dabei empfand er die Kombination der beiden Fächer Jus und Geschichte stets als besonders faszinierend.

Zur motivierenden Freude an Erkenntnis und Forschen kommt ein "Quantum Ehrgeiz" hinzu. Seine akademische Karriere ist bisher gepflastert mit Auszeichnungen und Stipendien und hervorragenden Abschlüssen (Sub-auspiciis-Promotion).

Auslandsaufenthalte führten ihn nach Jena und ans Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, ein Zentrum rechtshistorischer Forschung in Europa. "Angehörige meiner Generation können eine Karriere nicht stringent planen. Nur eine gute Ausgangsbasis schaffen, offen für Chancen sein und diese ergreifen, wenn sie sich bieten", so lautet sein Credo für die Zukunft. In seiner Freizeit frönt der Rechtshistoriker dem Lesen, Basketballspielen und Reisen. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. Juni 2010)