Man sollte früh lernen, mit Geld umzugehen, sind sich Experten einig. Taschengeld oder Rollenspiele wie hier in der Kinderstadt Minopolis stärken das Gefühl für Einnahmen und Ausgaben.

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Wien – Die 20-jährige Tina zieht mit ihrem Freund in eine gemeinsame Wohnung. Ihr Freund überredet sie zu einem Kredit, um die Wohnung zu renovieren. Nach einigen gemeinsamen Monaten im neuen Heim zerbricht die Beziehung, Tinas Freund zieht aus, und sie bleibt allein zurück. Nachdem Tina ihren Beruf als Verkäuferin bei einem Supermarkt verloren hat, bezieht sie Arbeitslosengeld. Was nun? Ihre Eltern sollen nichts erfahren, doch wie soll sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Den Kredit kann sie nicht mehr zurückzahlen.

Das Mädchen wendet sich an die Beratungsstelle der Schuldenberatung. Die Schuldenberatung berät Familien und Einzelpersonen rund um finanzielle, soziale aber auch persönliche Angelegenheiten und arbeitet im öffentlichen Auftrag des Justizministeriums. Die Beratung verläuft auf freiwilliger, kostenloser und vertraulicher Basis.

"Wir finden eine Lösung"

Auf die Frage, wie bei einem solchen Fall vorgegangen wird, antwortet Inge Honisch, Präventionsmitarbeiterin in Salzburg, dass es in erster Linie um die Existenzsicherung gehe. "Wenn man sich in so einer Lage befindet, muss man zuerst einmal die Raten stoppen. Dann kommt die Exekution, aber da muss man durch." Die Mitarbeiter sagen dann immer: "Wir finden eine Lösung – doch nicht von heute auf morgen." Weitere Schritte wären, beruflich wieder Fuß zu fassen und in eine Wohnung zu ziehen, die sich Tina wieder leisten kann. "Sie muss zuerst ein paar Schritte gehen, bis die Existenz gesichert ist. Dann kann man beginnen, die Schulden zu tilgen" , erklärt Honisch.

Marga Muxel-Moosbrugger, veranstaltet Schuldenpräventionsprojekte in Bregenz und ergänzt: "Wenn jemand den Kredit nicht mehr zurückzahlen kann, muss man zuerst darauf schauen, Miete, Strom und Wasser zu begleichen – sonst vorerst nichts."

Keinen familiären Rückhalt

Drei Viertel der verschuldeten Jugendlichen sind Pflichtschulabgänger, 60 Prozent Lehrlinge, die keine familiäre Absicherung haben. Erfahrungsgemäß haben die unter 25-Jährigen auch keine Reserven, auf die sie zurückgreifen können, weiß Thomas Mader von der Präventivstelle Klartext in Oberösterreich.

In Niederösterreich ist die Verschuldung junger Menschen unter 25 in den letzten Jahren von neun auf 15 Prozent angestiegen. Durchschnittlich belaufen sich die Schulden auf 30.000 Euro – wobei Kredite für Autos, fürs Reisen oder für Wohnungen die größte Ausgabenquelle darstellen.

In Tirol liegt die durchschnittliche Verschuldung sogar noch höher, wie Geschäftsführer Thomas Pachl in einer Aussendung erläutert: "Junge Leute sind mit bis zu 50.000 Euro verschuldet, wenn sie in die Schuldnerberatung kommen" , schildert Pachl. Haben sich erst einmal Schulden angehäuft, sei auch die psychische Situation der Jugendlichen von Bedeutung, denn "da gibt es viele Ängste. Etwa die Angst, ins Gefängnis zu kommen, oder jene vor den Inkassobriefen, die ziemlich massiv formuliert sind – drohend, abwertend oder beschimpfend" , thematisiert Honisch.

"Schulden sind eine Schande. Und damit das Umfeld nichts mitbekommt, lassen sich auch die Eltern nichts von ihren Problemen anmerken und geben weiterhin Geld aus" , erklärt Mader. Generell werde in diesen Familien wenig über Geld gesprochen, weil oft auch die Kinder nichts von den Geldnöten ihrer Eltern erfahren sollen. Es entstehe ein Teufelskreis. Denn wie sollten die Kinder lernen, weniger von den Eltern zu verlangen oder deren Sorgen zu verstehen, wenn nicht darüber gesprochen wird?

"Es ist wichtig, Überblick über die eigenen Ausgaben zu haben" , merkt Honisch an. Gerade Jugendliche, die kein Taschengeld bekommen, hätten oft das Gefühl, zu kurz zu kommen. Wenn diese Jugendlichen dann ausziehen, erkenne man oft Defizite im Umgang mit Geld und eine gewisse Weltfremdheit. "Man hat die finanzielle Lage immer zu wenig zum Thema gemacht" , erklärt Mader.

Jeder sollte mit seinen Eltern ausmachen, für welchen Zweck das Taschengeld da ist. Auch an sich selbst solle man die Frage richten: Wie gehe ich mit Geld um? Man müsse Prioritäten setzen und seine Grundeinstellung zum Geld definieren.

Zu einem Problem könnte auch der ständige "Geldzuschuss" der Eltern werden. Denn auf diese Art beziehen Jugendliche viel Geld auf Raten und es fällt ihnen oft gar nicht mehr auf, wie viel sie tatsächlich bekommen haben. Eine goldene Regel laute: "Überlegen, mitrechnen und dann kaufen." Die Ausgaben müssten sich immer an den Einnahmen orientieren, um nicht in den Teufelskreis der Verschuldung zu geraten. (Nermin Ismail, DER STANDARD-Printausgabe, 30.6.2010)