Solomon Burke, einer der letzten Großen des Soul, wirkt auf seinem neuen Album wie der Andy Borg des Soul. Danke, Lawrence Mitchell!

Foto: Edel

SOLOMON BURKE
Nothing's Impossible
(Edel)
Die Früchte eines Veteranentreffens präsentiert der Sitzriese Solomon Burke auf seinem neuen Album. Für dieses hat sich der seit den 1950ern im Soul-Fach veröffentlichende "Bishop of Soul" mit Willie Mitchell zusammengetan. Der im Vorjahr verstorbene Produzent aus Memphis war ebenfalls eine Schlüsselfigur des Fachs. Immerhin hat er die Musik von O. V. Wright, Ann Peebles, Otis Clay, Syl Johnson und einem gewissen Al Green produziert und damit eine bis heute gültige Formel geschaffen. Beste Voraussetzungen also - die sich leider nicht im Endprodukt niederschlagen. Die Ergebnisse kann man bestenfalls als schwarzen Schlager bezeichnen: Da kann Solomon noch so schön singen - wenn der Synthesizer seine Schlieren zieht, ist alles verloren. Der Verdacht, dass hier hauptsächlich der wesentlich unbegabtere Nachwuchs, Lawrence Mitchell, zugange war, drängt sich bei der Mehrzahl der Stücke auf. Joe Henry, der 2003 Burkes superbes Comeback-Album "Don't Give Up On Me" produziert hat, windet sich wahrscheinlich in Schmerzen.

BETTYE LAVETTE
Interpretations: The British Rock Songbook
(Anti/Edel)
Soul-Veteranen, Fortsetzung. Die aus Detroit stammende Bettye Lavette hat ebenfalls seit den Nullerjahren eine zweite Karriere am Laufen, seit "I've Got My Own Hell To Raise" (2005). Auf ihrem neuen Album interpretiert sie mit rauer Blues-Stimme Stücke des "British Rock Songbook", darunter Arbeiten von den Beatles, den Rolling Stones, Led Zeppelin und Pink Floyd - was einige interessante Sichtweisen zulässt. Richtig mitreißend ist jedoch nur der Opener des Albums: "The Word", (Beatles, "Rubber Soul"). Aber der Song allein rechtfertigt schon die Anschaffung!

THE ROOTS
How I Got Over
(Universal)
Zuerst ein Schock! Die Roots spielen mit STS! Gibt's das?! Darf das wahr sein!? Aber Entwarnung. Wer auch immer sich da STS nennt und als Gast auf dem Track "Hustla" auftaucht, es ist nicht die steirische Hausmarke aus Fürstenföd. Zuzutrauen wäre es den Roots allemal, immerhin findet sich auch die spröde Harfenistin Joanna Newsom auf "How I Got Over", deren Lolita-Gesang bestens mit den legeren HipHop-Beats der Roots harmoniert. Der Titeltrack des neunten Albums der Formation aus Philadelphia lässt zuerst eine Coverversion des gleichnamigen Deep-Soul-Monsters von Darondo vermuten - Irrtum! -, aber eine begnadete Soulnummer ist es allemal. Nebst naheliegenden Gästen wie dem omnipräsenten Johnny Legend haben die Roots hier auch die Monsters Of Folk eingeladen. Mit diesen covert man deren Stück "Dear God", mit dem diese Alternative-Folkrock-Supergroup ihr Debütalbum eröffnet hat. Auch diese Wahl illustriert die Außergewöhnlichkeit der Roots, die die Grenzen des HipHop einmal mehr überwinden und so begnadet wie inspiriert zwischen den Stilen surfen.

TRENTEMØLLER
Into The Great Wide Yonder
(In My Room)
Der dänische Elektroniker Anders Trentemøller orientiert sich auf seinem neuen Album am Songformat. Das zeitigt einen genialischen Einstieg mit "The Mash And The Furry", das klingt wie der technoide Soundtrack zu einem nie gedrehten Cyber-Western von Sergio Leone. Im Anschluss darf es gar eine Akustikgitarre sein, Gastsänger untermauern die menschelnde Ausrichtung im Gerätepark, gegen Ende spielt Trente gar elektronischen Garagenrock - "Silver Surfer, Ghost Rider Go!!!" -, für den die Raveonettes extra bezahlen würden. Großes Kino für den Kopf(hörer)!

SCISSOR SISTERS
Night Work
(Universal)
Mit zünftigem Disco-Rock aus der Klasse von 1979 eröffnen die Scissor Sisters ihr neues Album. Das bleibt im Wesentlichen und mit einigen Variationen dann so. Etwas aufpolierter Bee-Gees-Kastratengesang, ein paar Ungeheuerlichkeiten fürs progressive Regionalradio wie "Fire With Fire" und der zusehends verkrampft wirkende Versuch, die Aufregung (welche eigentlich jetzt genau?) bis zum Ende hochzuhalten, lassen diese einstigen Glam-Pop-Hoffnungsträger aus New York bald abstinken. Was sie auf "Night Work" versuchen, kann jeder alte K-Tel-Sampler besser. (flu / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.7.2010)