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Trachtenpärchen gibt es viele in Österreich. Das rot-schwarze Duett ist auf fast allen Bühnen des Landes zu Hause.

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Es geht wieder heiß her im staatsnahen Umfeld. Ein Blick auf das Gerangel um Posten und Einfluss bei ÖBB, Asfinag, ORF und anderen finanziell wie strategisch bedeutenden Bereichen zeigt, dass die Entpolitisierung nicht weit gekommen ist. Zuletzt sorgte die Bestellung der SP-nahen Verfassungsrichterin Claudia Kahr an die Spitze des Aufsichtsrats des staatlichen Autobahnbauers für Diskussionen über die politische Abhängigkeit von Richtern.

Dabei lief das Proporz-Spiel in der Vergangenheit anders: In der Regel wurde brüderlich geteilt, vor allem in der Verstaatlichten, die sich die Regierung nach dem Krieg zum Schutz vor Begehrlichkeiten der russischen Besatzungsmacht zur Brust nahm. Die Privatisierungen seit Mitte der 80er-Jahre als Folge des wirtschaftlichen Niedergangs von Voest und Co haben die Einflussbereiche ausgedünnt: "Daher wird jetzt umso heftiger zugeschlagen, wo es nur geht", konstatiert der Politikwissenschafter Emmerich Tálos.

Die ÖVP lässt Rot bei ihren Ministerien zugeordneten Gesellschaften wie ÖIAG oder Verbund abblitzen, die SPÖ revanchiert sich bei Bahn oder Asfinag. Ähnliche Entwicklungen sind bei Justiz oder Polizei feststellbar. Im Schulwesen liegt ohnehin alles in Länderhand - die Rolle des Parteibuchs bei Direktor-Bestellungen ist legendär.

Von der Wiege bis zur Bahre
Abseits der großen Wirtschafts- und Politbühne hat sich weniger verändert. Österreich gilt nach wie vor als in zwei Parteihälften durchstrukturiertes Land. Ob Autofahrerklubs, Berghütten, Erwachsenenbildung oder Sportvereine, Kindergärten, Hilfsorganisationen, Rettungsdienste oder Wohnbaugenossenschaften: "Wer Mitglied in der Union ist, geht regelmäßig zur Kirche, ist ÖAMTC-Mitglied und wählt ÖVP", ätzte Politologe Anton Pelinka vor geraumer Zeit. Sein Kollege Hubert Sickinger widerspricht: Diese These sei nicht mehr aufrechtzuerhalten. Vor allem für die Mitglieder der Verbände habe die politische Ausrichtung wenig Bedeutung. "Bei der Wahl des Autofahrerklubs spielt die Mitgliedschaft des Vaters eine größere Rolle", sagt Sickinger.

Anders verhält sich das aus Sicht der Parteien. "Das dichte Netz an Organisationen ermöglicht es, die Gesellschaft in allen Lebensstufen und bei jedem Anlassfall zu durchdringen", analysiert Tálos. Nachsatz: "Von der Wiege bis zur Bahre", wie das SPÖ-Motto schon in der Ersten Republik lautete. Die Verbände sind denn auch mehr oder weniger politisch deklariert. Der Sportunion steht der schwarze Nationalratsabgeordnete Peter Haubner, dem Askö der rote Mandatar Peter Wittmann vor. Als Präsident des Hilfswerks fungiert VP-Europaabgeordneter Orthmar Karas, auch Ex-Minister Ernst Strasser sitzt im Präsidium. Volkshilfe-Präsident Josef Weidenholzer zieht demnächst für die SPÖ in die EU-Volksvertretung ein. Die Liste der Verflechtungen ließe sich endlos fortsetzen.

Politiker, meint Politologe Sickinger, könnten sich über Tätigkeiten in den Vereinen in einem populären Umfeld präsentieren. Neben karitativen Aktivitäten würden zum Beispiel sportliche oder kulturelle Engagements von der Bevölkerung honoriert. Zudem fungierten sie häufig als Türöffner zum Tresorraum, indem sie Kontakte zu den Subventionsgebern legten. Wenn die öffentlichen Kassen nichts hergeben, lohne ein Anruf bei den Landesversorgern, der örtlichen Sparkasse oder anderen mit der Politik eng vernetzten Geldgebern. Dass der SK Rapid, in dessen Kuratorium Verteidigungsminister Norbert Darabos sitzt, vom Eurofighter-Lieferanten EADS großzügig unterstützt wurde, regte die Öffentlichkeit nicht nachhaltig auf.

In vielen Fällen reichen aber die öffentlichen Töpfe. "Die Machtpositionen werden ausgenützt, um parteinahe Vereine zu fördern", schildert Politikberater Thomas Hofer. Wegen der Unübersichtlichkeit der Subventionen könne schwer beurteilt werden, inwieweit die Gelder gerechtfertigt ausgeschüttet werden. Ein hoher Politiker schilderte kürzlich, wie komplex das Austarieren der Förderungen sei, damit sich auch jeder Fischereiverband beider Couleurs zufrieden gibt. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.7.2010)