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Das offiziell prüde China, welches die öffentliche Zurschaustellung von Sex als Pornografie verfolgen lässt, entwickelt sich zum Exportweltmeister von Sexartikeln.

Foto: Reuters/Aly Song

China war der offizielle Kondomlieferant der eben beendeten Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Nun ist es selbst zum Weltmeister im Export von Sexartikeln und Accessoires geworden.

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Peking - An "Made in China" hat sich alle Welt gewöhnt, wenn es um Schuhe, Jeans, Werkzeuge, Elektrogüter oder Kinderspielzeug geht. Weniger bekannt ist, dass die offiziell prüde Volksrepublik, deren Justiz die öffentliche Zur-Schaustellung von Sex als Pornografie verfolgen lässt, zugleich auch in fast allen Schlafzimmern der Welt präsent ist. Zum einen, um für den notwendigen Schutz zu sorgen, wie im Fall von Südchinas weltgrößter Kondomfabrik "Guangxi-Guilin Latex" . Als offizieller Lieferant versorgte sie gerade Südafrikas Fußball-Weltmeisterschaft mit 60 Millionen Präservativen der Marke "Choice" . Zum anderen zum reinen Spaß.

70 Prozent aller weltweit genutzten Sexspielzeuge kommen aus China, fand ein Team von Wirtschaftsrechercheuren der China Daily heraus. Mehr als 1000 Fabriken haben sich in Südchi-nas Guangdong bis Ostchinas Zhejiang auf die Massenherstellung einschlägiger Accessoires, Utensilien und Sex-Toys spezialisiert. 2008 setzten sie mit ihren Exporten 2,8 Mrd. US-Dollar (2,2 Mrd. Euro) um. Im lustfeindlichen Wirtschaftskrisenjahr 2009 konnten sie weltweit für immerhin noch knapp 2,1 Mrd. Dollar Dildos, Vibratoren, Gummipuppen oder Fetischkleidung verkaufen. Seit Anfang 2010 klettern die Ausfuhren wieder nach oben - auf 940 Mio. Dollar von Jänner bis Mai.

Großproduzenten, wie Shenzhens "Bestgreen" , die 50 Prozent ihrer Sexartikel in die USA und 30 Prozent nach Europa ausführen, klagen aber über fallende Gewinnmargen von nur sieben Prozent. Steigende Selbstkosten beim Material und bei den Mindestlöhnen für Wanderarbeiter zwingen immer mehr Hersteller zur Orientierung auf den Binnenmarkt.

Der gesellschaftliche Wandel im Umgang mit dem sehr privaten Vergnügen ist unübersehbar. 1993 eröffnete erstmals ein Sexshop in Peking. Heute sind es bereits 200.000 in allen Städten, auch wenn sie sich nach außen weiterhin nur diskret "Läden für Erwachsene" nennen dürfen. Branchenschätzungen gehen von einem Jahresumsatz von fast 1,3 Mrd. Euro aus.

Die Binnennachfrage hat auch Chinas Importbedarf an ausländischem Sexspielzeug erhöht. 2009 führte die Branche nach Zollstatistiken einschlägige Produkte im Rekordwert von 467 Mio. Dollar ein. Von Jänner bis Mai 2010 waren es schon 211 Mio. Dollar. Fast die Hälfte der Importe kommen aus den Ländern Japan, Thailand und Malaysia.

Immerhin orderten Chinas Liebhaber fast ein Viertel ihres Bedarfs aus Europa, vor allem aus Holland und Deutschland, die beide offenbar für ihre haltbaren Qualitätsprodukte geschätzt sind. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.7.2010)