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Ein „Sofia Pride“-Teilnehmer schwenkt vor einem sowjetischen Armeedenkmal die Regenbogenfahne. Mehr als 200 Menschen marschierten heuer mit ihm für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgenderpersonen.

Foto: REUTERS/Stoyan Nenov

Die Zeiten haben sich geändert. Niemals zuvor waren die Rechte von Schwulen und Lesben in der slowakischen Öffentlichkeit ein Thema“, freut sich Peter Weisenbacher. Vor wenigen Wochen organisierte er die erste Pride-Parade des Landes in der Hauptstadt Bratislava. Das Recht, seine sexuelle Orientierung frei und ohne Diskriminierung auszuleben, bleibt in Österreichs Nachbarland freilich noch immer umstritten. Gegen die 500 TeilnehmerInnen der Pride-Parade marschierten rund doppelt so viele Rechtsextreme auf, darunter auch Abgeordnete der „Nationalpartei“, zu dieser Zeit Teil der slowakischen Regierung. Diese marschierten Seite an Seite mit ExtremistInnen, die die österreichische EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek bei ihrer Rede mit Steinen bewarfen.

Doch das Beispiel Slowakei zeigt, dass in Osteuropa, wo offen ausgelebte Homosexualität lange ein Tabu war, eine Zeitenwende eingesetzt hat. In drei Hauptstädten kam es in diesem Jahr erstmals zu Pride-Paraden. Selbst in Weißrussland, oft als „Europas letzte Diktatur“ bezeichnet, marschierten 20 AktivistInnen Mitte Mai für die Anerkennung ihrer Rechte.

Vor fünf Jahren noch verboten

Höhepunkt des Pride-Reigens in diesem Jahr wird die Europride-Parade in Warschau sein, die an diesem Wochenende stattfindet. Noch vor fünf Jahren verbot Lech Kaczyński, damals Bürgermeister und später als Präsident Polens verunglückt, die Veranstaltung. Heute ist anstelle von Bitterkeit und Resignation Optimismus unter polnischen AktivistInnen eingekehrt. „Die neue Generation ist viel offener gegenüber Schwulen und Lesben. Sie trifft uns ja jeden Tag in der Schule, in der Arbeit, in der Kneipe“, so Monika Czaplicka, Europride-Organisatorin . Mit der Niederlage des erzkonservativen Kaczyński-Bruders Jaroslaw bei Polens Präsidentenwahl im Juni bekommt der Marsch für mehr Rechte politischen Rückenwind. Noch Anfang des Jahres wollten Polens Nationalkonservative ein Verbot der Homosexuellen-Ehe in die Verfassung schreiben. Nach deren Niederlage hat die Regierung, die von jungen, liberalen Städtern gewählt wurde, Raum für politische Reformen.

Angefacht wird der frische Wind der osteuropäischen Bewegung auch durch die EU. „Sowohl die Baltic Pride in Vilnius als auch die Bratislava Pride hätte wohl keine Genehmigung erhalten, wenn sich nicht zahlreiche EU-Botschaften eingebracht hätten“, erklärt Lunacek. Vielfach sind es die Botschafter westeuropäischer EU-Staaten, die Druck machen, damit die Paraden stattfinden können, oft marschieren die BotschafterInnen sogar mit. Auch EU-Kommissarin Viviane Reding, zuständig für Menschenrechte, hat die Pride-Parade in Vilnius unterstützt.

Mangel an politischer Courage

Die Grenze der Unterstützung verläuft freilich an der EU-Außengrenze. „Wir wurden noch nie von EU-BotschafterInnen unterstützt, obwohl wir jedes Jahr darum bitten“, klagt Nikolay Alexeyev, Organisator der Moskauer Pride-Parade. Den Grund dafür verortet er in mangelnder politischer Courage. „Die EU tauscht Öl gegen Menschenrechte. Die meisten BotschafterInnen, die ich in Moskau treffe, halten mir Vorträge über ‚Realpolitik‘.“ An dieser, so Alexeyev, scheitere oft das hehre Ziel – Menschenrechte für alle. (Alexander Fanta, DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2010)