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Gil Scott Heron in Wiesen: heitere Anekdoten, dazwischen etwas Blues und skizzenhafte Meisterwerke aus vier Jahr.

Foto: EPA

Wiesen - Auf dem Weg ins Burgenland wirbt ebenjenes mit 300 Sonnentagen im Jahr. Allein - ein solcher war der Nova Jazz and Blues Night, die bereits am Samstagnachmittag begann, heuer nicht vergönnt. Schwere Wolken, Schauer und Wind umrahmten wenig naturgütig das gemütliche Festivalgelände in Wiesen; der Publikumslaune setzte das jedoch nur wenig zu.

Das Festival startete mit Acts wie Rodney Hunter, Incognito und Peter Legats Band Count Basic, marschierte also gepflegt durch leichten Jazz, kühle Beats und beseelte Grooves und den alles verbindenden Funk. Am Ende des langen Tages sollte der britische Acid-Jazzer Jamiroquai einen diesbezüglichen Endpunkt setzen - samt obligatorisch-verrückter Kopfbedeckung: dieses Mal mit Häuptlingsfedern.

Dazwischen eingebettet lagen Auftritte von Gil Scott-Heron und den Tango-Reformern vom Gotan Project. Beide veröffentlichten heuer neue Alben, die Gotaner Tango 3.0, Gil Scott-Heron I'm New Here. Während das Gotan Project später in schicken, gut sitzenden Anzügen auftrat und mondänes Flair aus argentinischem Tango und elektronischen Beats verströmte, betrat Heron die Bühne im verwitterten Anzug der Marke Heilsarmee. Graue Kappe, wasserscheue Hose, und an den Knien Beulen. Bei Heron äußert sich der ihm innewohnende Funk nämlich via Zappelbeine.

Heron (61), bärtig, hager und aus Chicago stammend, hat früh Jazz, Blues und Soul mit Sprechgesang verbunden, mit dem er politische Predigten transportierte. Diesbezügliche Klassiker wie The Revolution Will Not Be Televised, Home Is Where The Hatred Is oder Re-Ron, ein Stück gegen den einstigen US-Präsidenten Ronald Reagan, stammen aus seiner Feder.

In Wiesen eröffnete er sein Set mit einer launigen Ansprache. Im letzten Jahr verhinderten nämlich Bewährungsauflagen seinen Auftritt, heuer kam ihm auf dem Weg nach Europa schon einmal ein Vulkan mit unaussprechlichem Namen dazwischen - alles Anlässe für heitere Schwänke. Anschließend gab er sich einigen Solostücken hin, bevor eine schmale Band (Bongos, zweierlei Tröte, Keyboards) ihn unterstützte. Mit Blue Collar, einem Blues mit Zeilen wie "There ain't no place where I ain't been down", entsprach er dem Festivalnamen, mittels ins Mühsame gedehnter Jams später auch der Jazzbehauptung.

Darob vergaß er das Wichtigste: Stücke aus seinem neuem Album zu präsentieren. Lediglich eine darauf befindliche Version von Brook Bentons flehender Liebesballade I'll Take Care Of You, die der Welt in dramatischen Versionen von O. V. Wright, Bobby Bland oder Mark Lanegan vorliegt, spielte er - leider trotz lebenserfahrener Stimme wenig überzeugend. Auf das grandiose Me And The Devil wartete man vergeblich. Dafür kredenzte er skizzenhafte Versionen der Sozialdramen The Bottle oder Winter In America.

Unter seinen Möglichkeiten

Allesamt fantastische Stücke dieses Ausnahmetalents, das mittlerweile aber darauf verzichtet, diese einigermaßen werkgetreu zu interpretieren. So geriet der Auftritt dieses zu Recht als Poet eingestuften, von HipHop-Größen vielfach gesampleten Künstlers als Darbietung weit unter dessen Möglichkeiten.

Das weltweit mit seinen Tango-Deutungen erfolgreiche Gotan Project kredenzte anschließend gepflegte Hausmarke. Mit Wehmutsgeige, Tränenquetsche und elektronischen Beats, die Affinitäten zum Dub besitzen, spielte sich das aus Paris und Argentinien stammende Ensemble durch seine Gefühlswelten.

Unterkühlte Dramen, beschleunigte Herzbluter, dazwischen einnehmende Stücke wie Rayuela, das mit einem Kinderchor vom Band so etwas wie das Another Brick In The Wall (Pink Floyd) des Gotan Projects ergab. Stilsicher vorgetragen wirkte das Project stellenweise zwar routiniert, andernorts ließ es sich doch hinreißen und bot dem enthusiasmierten Publikum Gelegenheit zum verhaltenen Mitgrooven.

Kleine Kinder schliefen, die Eltern tanzten. Hätte jemand das Thermometer um zehn, zwölf Grad nach oben geschraubt - es wäre perfekt gewesen. (Karl Fluch, DER STANDARD, 26.07.2010)