Pfarrer Michel Harb muss derzeit allein Marillen pflücken: Sämtliche Mitbrüder sind auf Sommerfrische. "Wir wollen die Pfarre lebendiger machen - und die Herzen der Menschen erreichen." Einmal pro Woche predigt er auf Arabisch

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Wien - Seit Michel Harb im Servitenkloster lebt, hat er immer ein bisschen Geld eingesteckt. "Es kommen oft Leute vorbei, die etwas brauchen", sagt er. Der Chef des Wiener Servitenklosters im 9. Bezirk legt Wert darauf, dass sein Haus stets für alle offensteht. Und so stemmen regelmäßig Hilfsbedürftige die schwere dunkle Holztüre auf, gehen den langen steinernen Klostergang entlang und sprechen im kleinen Pfarrbüro bezüglich einer Spende vor. "Wir helfen den Leuten natürlich", sagt Harb, "dafür sind wir ja da."

Vor einem Jahr hatten im Servitenkloster in der Servitengasse noch die Serviten das Sagen. Nun wird das Kloster von der Kongregation der Libanesischen Maronitischen Missionare bewohnt. Derzeit leben drei Maroniten im vierkantigen Barockbau. In den nächsten Monaten sollen noch zwei weitere Brüder aus dem Libanon anreisen.

Pfarrer Harb, glattes, schwarzes Haar, randlose Brille, ist seit sieben Jahren in Österreich. Er arbeitete drei Jahre lang als Aushilfspriester im Stephansdom, bevor er letzten Herbst auf Wunsch der Diözese Wien die Leitung des Servitenklosters und die angeschlossene Pfarre Rossau übernahm.

"Es ist in Österreich kaum bekannt, dass es im Libanon Christen gibt", sagt Harb, "dabei sind die Maroniten dort die stärkste und größte Kirche." Die libanesische Verfassung schreibt sogar vor, dass die Maroniten den Staatspräsidenten stellen. Die Kongregation wurde 1865 gegründet, inzwischen gibt es acht maronitische Klöster und 105 Ordensbrüder. Daneben betreibt die Kongregation eine Reihe von Außenstellen, unter anderem in Frankreich, Argentinien, Belgien und Südafrika.

Ein Servit ist geblieben

Der Wiener Ober-Maronite Harb predigt derzeit wochentags zweimal in der Servitenkirche, am Sonntag dreimal auf Deutsch und einmal auf Arabisch - für die gut 140-köpfige orientalische Christengemeinde. Gleichzeitig wollen sich die Wiener Maroniten auch weiterhin um die Traditionen ihrer Vorgänger kümmern. So wurde der Tag des heiligen Peregrins, der von den Serviten besonders verehrt wird, auch nach deren Auszug groß gefeiert - und die Serviten aus Niederösterreich zum Fest eingeladen.

Die letzten Wiener Serviten verließen das Servitenviertel nur ungern - der Standard berichtete. Drei der vier betagten Pater, die zuletzt im Kloster lebten, wurden von der Ordensleitung ins Kloster Gutenstein auf dem Mariahilfberg in Niederösterreich beziehungsweise ins Haupthaus nach Innsbruck abgezogen. Aus Geld- und Nachwuchsmangel, wie es damals hieß. Nur Pater Gregor ist noch da. Der 82-Jährige hat den Großteil seines Lebens im Kloster am Alsergrund verbracht und lebt nun mit den jungen katholischen Libanesen unter einem Dach.

Wenn er nicht gerade auf Sommerfrische ist. Momentan hält nämlich Pfarrer Harb allein die Stellung im Servitenkloster - sämtliche Mitbrüder machen in einem anderen österreichischen Kloster beziehungsweise im Libanon Urlaub.

Auch der Pfarrer verabschiedet sich einmal im Jahr in Richtung Heimat. Echtes Heimweh kennt er nicht. "Ich bin sehr gern in Wien", sagt er. Harb ist mit seinen 35 Jahren der älteste Maronit im Wiener Servitenkloster.

Die jungen Ordensmänner wollen das 1670 erbaute Kloster sanft modernisieren, jedenfalls dort, wo es das Denkmalamt zulässt. Die rund 40 Schlafräume, die zuletzt von Studenten und Asylwerbern aus Afrika genutzt wurden, sollen saniert werden. Wer künftig dort wohnt, ist noch nicht heraußen. "Das müssen wir uns erst noch überlegen", sagt Harb. (Martina Stemmer/DER STANDARD, Printausgabe, 27.7.2010)