Größte Landschaftsinstallation Österreichs: "Horizon Field" nutzt die menschliche Figur als Vehikel für essenzielle Erfahrungen.

Foto: Tretter

Auf 2039 Metern Seehöhe spinnt sich ein Netz zu Fragen der Evolution.

Lech – "Eisen ist konzentrierte Erde. Wenn wir nur tief genug unter die Erdoberfläche gehen, stoßen wir auf das, was diesem Planeten sein magnetisches Feld gibt, was ihn auf seiner Flugbahn hält," sagt der Brite Antony Gormley über das Material seiner Eisenmänner. Sie sind nicht nur erdverbunden, sondern aus ihr gemacht. Die Tatsache, dass sie oxidieren und dadurch "bluten" wie Menschen, ist dem Künstler wichtig.

Die 650 Kilogramm schweren Skulpturen des 60-jährigen Turner-Preisträgers sind weitgereist. Sie trotzten in Stavanger, Cuxhaven und Crosby den Gezeiten, waren in den Olivenhainen von Catanzaro teils bis zur Schulter im Erdreich versenkt. 2007 sorgten 31 von ihnen im Londoner Stadtraum für Unbehagen undheuer in New York, prekär auf Simsen und Dächern von Wolkenkratzern postiert, für erregte Notrufe. Nun sind bis April 2012 einhundert dieser identen menschlichen Abgüsse auf genau 2039 Metern Seehöhe in einem 150 Quadratkilometer großen Areal des Bregenzerwaldes aufgestellt: Rostige Gestalten, die sich gegen das Grün der Weiden und das Blau des Himmels abzeichnen oder mit dem Fels verschmelzen.

Horizon Field ist die bisher ausgedehnteste und wohl auch stillste Installation von Gormleys Arbeiten – für den Künstler selbst die landschaftlich schönste und faszinierendste. Aber vermutlich auch die langwierigste. Mehr als vier Jahre haben die Vorbereitungen zu diesem vom Kunsthaus Bregenz initiierten Projekt gedauert. Die naturschutzrechtlichen Prüfungen gestalteten sich aufwändiger als gedacht, und so konnten 2009, parallel zur Personale Gormleys in Bregenz, zunächst nur drei Figuren installiert werden. Im schrittweisen Annäherungsprozess zwischen Naturschützern und Projektverantwortlichen war das einer der Schlüsselpunkte, sagt Artur Vonblon, Geschäftsführer der Vorarlberger Kulturhäuser dem STANDARD.

"Umso höher man kommt, desto verrückter werden die Menschen", zeigte sich Gormley 2009 noch ungeduldig und enttäuscht. Heute sind jedoch alle zufrieden. Vonblon: "Grund und Landschaft haben für die Menschen hier einfach noch eine andere Bedeutung". Horizon Field ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage "Fügt sich die menschliche Kultur in die Natur?". "Wer sind wir, was sind wir, wo kommen wir her und wohin führt unser Weg?" , scheinen die eisernen Stellvertreter zu fragen. "Wenn dieser große nukleare Reaktor im Zentrum unseres Sonnensystems noch sechs Milliarden Jahre Energie produziert, wie lang wird Homo erectus in seiner modernen Form Teil der Evolution auf diesem Planeten sein? Wir könnten schon bald aus dem Spiel draußen sein." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 31.07./01.08.2010)