New York - Zwischen 1500 und 2500 Exponate soll die Sammlung des jüdischen Bankiers Baron Mór Lipót Herzog zu Spitzenzeiten umfasst haben. Darunter Werke Alter Meister wie Frans Hals, Tiepolo, Lucas Cranach, Velázquez oder Van Dyck. Ein 1927 von Ludwig Baldass, Kurator am Kunsthistorischen Museum Wien, publizierter Katalog blieb eines der wenigen Dokumente, die Aufschluss über die Bandbreite seiner Gemäldekollektion gaben. Ab 1930 erfolgten keine Akquisitionen mehr, stattdessen verkaufte Herzog das eine oder andere Werk. Den größten Teil vermachte er 1934 seinen drei Kindern, Tochter Erzsébet (verehelichte Weiss) und den Söhnen András und István.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die ehemals legendäre Sammlung in mehreren Etappen zerstreut: Für seinen Privatgebrauch traf Adolf Eichmann eine Auswahl, weitere Werke wurden von der ungarischen Regierung konfisziert und gelangten später in die Sammlung des Museums bildender Künste in Budapest, anderes verschwand schlicht oder musste von den Erben nach Baron Herzog veräußert werden.

Einer dieser Zwangsverkäufe erfolgte 1941 über die Wiener Galerie St. Lucas im Auftrag von Hans Posse. Das 1545 von Georg Pencz gemalte Porträt eines Geschäftsmanns (Sigismund Baldinger), dem Baldass besondere kunsthistorische Bedeutung beimaß, sollte das Führermuseum in Linz schmücken. Im Sommer 1945 gelangte es zum Central Collecting Point der Alliierten in Wiesbaden und schließlich in deutschen Bundesbesitz. Ab 1966 befand es sich als "Dauerleihgabe" in den Staatlichen Museen Kassel.

Im Februar 2010 wurde es - zusammen mit einer Schnupftabakdose aus dem Besitz Friedrich d. Großen und einem weiteren Gemälde - an die Erben nach Baron András Herzog restituiert. Anfang Juli gelangte das Pencz-Gemälde im Rahmen der Altmeister-Auktion bei Christie's in London zur Versteigerung. Für 5,64 Millionen Pfund sicherte sich Alfred Bader, ein kanadischer Chemiker und Kunstsammler österreichischer Herkunft, das letzte noch außerhalb eines Museums verfügbare Werk des Dürer-Schülers.

Laut einem Bericht der New York Times soll dieser Betrag, umgerechnet 8,5 Millionen Dollar, diverse Gerichtsverfahren der Herzog-Erben finanzieren. Seit 1999 ist ein solches in Russland anhängig, dabei geht es um Arbeiten von El Greco, Goya oder Renoir, die von den Nationalsozialisten konfisziert und später von russischen Truppen verschleppt wurden. Nach Einschätzung von Experten dürfte es sich um den umfangreichsten bisher ungelösten Raubkunst-Fall weltweit handeln, wobei das Fehlen einer genauen Inventarliste der ehemaligen Sammlung zu den größten Hürden zählt.

Laut New York Times brachten die Erben nach Baron Herzog vergangene Woche bei einem Bezirksgericht in Washington Klage gegen Ungarn und mehrere staatliche Museen ein. 2008 scheiterte ein Verfahren mit dem Entscheid des ungarischen Gerichts, wonach die Regierung nicht zur Rückgabe der Kunstwerke genötigt werden kann. Aktuell geht es um die Rückgabe von rund 40 nachweislich im Bestand verschiedener Museen befindlichen Kunstwerken, die laut Experten einen Wert von etwa 100 Millionen Dollar repräsentieren sollen. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/Printausgabe, 06.08.2010)