Von außen betrachtet ist alles wie immer: Touristen sagen "wonderful" und machen Fotos, im Garten stehen Schrott-Statuen, im Graffiti-bunten Treppenhaus riecht es nach Urin, und im letzten Stockwerk zeigt nach wie vor der weißrussische Maler Alexander Rodin großformatige farbenfrohe Bilder.

Doch die Flugblätter, auf denen um Unterstützungserklärungen gebeten wird, zeigen: Das berühmteste Kunsthaus Berlins kämpft um seine Existenz. Der frühere Eigentümer ist pleite, und die HSH Nordbank als Hauptgläubigerin strebt eine Zwangsversteigerung der Kunstruine an. "Die neoliberalen Zombies machen eine letzte Einkaufsrunde durch Berlin", klagt Martin Reiter, ein Österreicher, der seit Jahren im Tacheles-Vorstand sitzt, im Gespräch mit dem Standard, "dabei wird die kreative Mitte Berlins zerstört."

Noch zu DDR-Zeiten, im Winter 1990, wurde das ehemalige Kaufhaus von Künstlern durch Besetzung vor dem Abriss gerettet. Nach der Wende entwickelte es sich rasch zum Zentrum für Subkultur, heute arbeiten 30 Künstler in dem markanten Gebäude in bester Ostberliner Zentrumslage an der Oranienburger Straße.

Nicht mehr lange, wenn es nach der HSH Nordbank geht. Doch im Kampf um "ihr Haus" kämpfen die Künstler mit vielen Mitteln, sogar ein Hungerstreik steht im Raum. Ein Räumungstermin platzte bereits, weil die Eigentumsverhältnisse recht verworren sind. Der Trägerverein, mit dem die einzelnen Künstler Verträge haben, ist in Insolvenz gegangen, was das Verfahren verzögert. "Dieses Outsourcing haben wir uns von den Banken abgeschaut", feixt Reiter.

Er fordert, dass das Tacheles in eine Stiftung umgewandelt wird, was der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) jedoch ablehnt. Er hat aber angeboten, mit einem potenziellen Investor selbst zu verhandeln, um einen der letzten bunten Flecken in Berlins gelackter neuer Mitte zu retten. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.08.2010)