Grafenegg - Es darf an dieser Stelle exklusiv gemeldet werden: Franz Welser-Möst bereitet sich mit der allergrößten Intensität auf die Saisoneröffnung der Wiener Staatsoper vor. Denn anders lässt es sich nicht erklären, dass der Oberösterreicher und das von ihm seit 2002 geführte Cleveland Orchestra in Grafenegg mit einem gestalterisch arg vernachlässigten, dahinbanalisierten Schubert (die 4. Symphonie, c-Moll) aufwarteten. Das wird sich wohl auch sein beim Konzert anwesender oberster Dienstherr, Bundeskanzler Werner Faymann, gedacht haben.

Plattheit statt Plastizität

Das erste Thema des Kopfsatzes ist pauschal und undifferenziert gestaltet, kaum eine Phrasierung erkennbar. Die melodische Linie bei Welser-Möst - ein Strich. Sequenzielle Fortschreitungen haben keinerlei dynamische Folgewirkung. Das ergibt Plattheit statt Plastizität.

Trotz des inferioren ersten Satzes macht der Maestro im zweiten auf leger und souverän, lässt den rechten Arm baumeln und deutet mit dem linken dann und wann Zielpunkte der Phrasierung an, obschon sein Orchester dringend einer präzisen, wissenden Führung bedürfte. Grob die rhythmischen Finessen im dritten Satz, im vierten sind zweite Geigen und Bratschen überfordert.

Lauter richtige laute Töne der brav und akkurat funktionierenden US-Amerikaner dann zu Beginn des Heldenlebens von Richard Strauss, nur leider nirgendwo der künstlerische Mehrwert meisterlicher Musik: keine Charakterzeichnung, keine fühlbare Seelenschau. Kein Biss, keine Schärfe, keine Häme bei "des Helden Widersacher"; nach einer poetischen "Gefährtin" (William Preucil) sind bei den maschinell daherlärmenden Scharmützeln bei "des Helden Walstatt" kein Aufbau, kein Zielpunkt des Werkabschnitts erkennbar, dafür bewegt sich nun des Dirigenten rechter Arm mit allergrößter Zackigkeit.

Die Saisoneröffnung der Wiener Staatsoper kann kommen. (Stefan Ender/DER STANDARD, Printausgabe, 23. 8. 2010)