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In der österreichischen Innenpolitik gibt es ein paar Tabuthemen, die sich logischerweise je nach Partei unterscheiden. Das sind Dinge, die man öffentlich - vor allem im Wahlkampf - nicht so gerne thematisiert, weil man entweder: 1) weiß dass es Probleme sind, auf die man keine Antworten hat; oder man 2) für Aussagen zum Thema in der Vergangenheit bereits mächtig Prügel bezogen hat oder 3) es Themen sind, bei denen man fürchtet dass man, egal was man sagt, falsch interpretiert wird.

Für die politische Linke, insbesondere für weite Teile der Grünen, lautet eines dieser Tabus beispielsweise: Darüber sprechen, dass es in gewissen Bereichen tatsächlich Probleme durch zu viele beziehungsweise zu schlecht integrierte MigrantInnen gibt. Zwar wird Migration und Integration immer wieder thematisiert, aber vor allem im Hinblick darauf, wie man es in Zukunft besser machen könnte. Wenn die Sprache darauf kommt, ob momentan gerade etwas falsch läuft, herrscht oft ängstliches Schweigen.

Ängstlich deshalb, weil es ja wirklich heikel ist: Bekennen die Grünen, dass es Integrationsprobleme etwa in Wiener Hauptschulen gibt, wird das öffentlich natürlich wahrgenommen. Die FPÖ würde hämisch grinsend Aussendungen verschicken, dass jetzt endlich auch die Grünen auf ihre Linie einschwenken, die SPÖ die Gelegenheit nützen, den vermeintlichen Wankelmut der Wiener Ökos zu verspotten. Und auch innerhalb der Partei gibt es viele, die zwar wissen, dass etwas falsch läuft, aber dafür sind, das lieber nicht aufzugreifen.

Alles nur aus Angst, medial geprügelt zu werden

Dabei wären es genau die Grünen, die endlich thematisieren müssten, dass Hauptschulen und Polys in Wien oft erbärmlich dahinvegetieren, dass Lehrer mit viel zu vielen nicht Deutsch sprechenden Kindern maßlos überfordert sind, dass Konflikte und Versagen an der Tagesordnung sind. Aber nein, man überlässt das Thema lieber den Hetztiraden einer Wiener FPÖ, die keine Lösung, sondern Populismus im Sinn hat. Und das nur aus Angst, medial geprügelt zu werden.

Die Konsequenz: Kritik an oben genannten Missständen im Schulbereich wird heruntergeschluckt, die Blauen haben das Monopol auf Kritik. Dabei weiß jeder, der in Wien in Politik, Medien- oder Bildungsbereich tätig ist - oder der selber Kinder hat - was nicht offiziell thematisiert wird: Es gibt Schulen, da schickt „man" sein Kind einfach nicht hin, weil man weiß wie die Dinge dort stehen. Man sucht sich lieber eine engagierte, mit personellen und finanziellen Ressourcen gut ausgestattete Privatschule.

Das thematisierte etwa Musiker Wolfgang Schlögl im derStandard.at-Interview, der Falter griff die Frage dann in einer Kolumne zum Thema „Ghettoschule" auf. Wenn man die Frage polemisch zuspitzt, könnte sie lauten: Dürfen Linke ihre Kinder in Privatschulen geben?

Die Antwort: Ja, sie dürfen - selbstverständlich. Jeder Vater und jede Mutter soll und wird sich für die Schule entscheiden, die er oder sie als das Beste für ihr Kind hält. Dieses Recht steht Politikern genauso zu wie allen anderen Eltern, auch wenn der mediale Boulevard das nicht so sehen mag. Was damit allerdings einhergehen muss, ist der Mut, die Probleme im öffentlichen Schulsystem auch offiziell anzusprechen - und nicht aus Angst vor den Konsequenzen zu schweigen. Sonst könnte man ja glatt auf die Idee kommen, für viele Politiker sei die Welt wieder in Ordnung, wenn das eigene Kind nur gut versorgt ist. Insofern ist dieser Blogeintrag als Appell zu sehen: In Wiens Hauptschulen läuft einiges falsch. Das nur der FPÖ zum Schimpfen zu überlassen ist keine Lösung. (Anita Zielina, derStandard.at, 25.8.2010)