Standard: Der Bundesrechnungshof urgiert immer wieder eine Verwaltungs- und Bundesstaatsreform, um so wesentliche Einsparungsschritte setzen zu können. Aus Ihrer Erfahrung als Landesrechnungshof-Direktor: Wie viel ist da wirklich drinnen?

Katzmann: Der Bundesrechnungshof kritisiert in der Tat die Zögerlichkeit bei der Umsetzung großer Reformen. Die sind ja schon vielfach eingeleitet worden, der Österreich-Konvent unter der Leitung der früheren Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler war ja eines der ganz großen Vorhaben in diese Richtung. Der Bundesrechnungshof quantifiziert auch diese Einsparungspotenziale, wobei er sich auf Studien beruft. Zum Beispiel auf die Wifo-Studie aus dem Jahr 1999, die von zirka 3,6 Milliarden Euro Sparpotenzial in der österreichischen Verwaltung spricht. Bernd Schilcher hat im Konvent dieses Potenzial mit 4,5 bis zu sechs Milliarden beziffert.

Standard: Pro Jahr?

Katzmann: Pro Jahr, ja. Das sind also riesenhafte Volumina, die hier im Gespräch sind.

Standard: Realistische auch?

Katzmann: Ich bin bei diesen Zahlen immer etwas zurückhaltend. Insofern, als die Bezifferung derartiger Volumina auf eine vernünftige Aufgabenkritik zurückzuführen sein sollte. Am Beginn aller Reformschritte muss also eine Einteilung der staatlichen Aufgaben in entbehrliche und in unverzichtbare vorgenommen werden.

Standard: Was soll man sich darunter konkret vorstellen?

Katzmann: Die unverzichtbaren Aufgaben sind unter allen Umständen jene, die die Sicherstellung des Vollzugs von Gesetzen und Verordnungen zum Inhalt haben. Das sind Kernaufgaben der Verwaltung, die ausschließlich vom Staat wahrgenommen werden dürfen. Das betrifft Bund und Länder gleichermaßen, aber auch die Gemeinden. Dieser hoheitliche Bereich ist unter allen Umständen mit ausreichenden Ressourcen zu bedecken, sodass diese Aufgabenstellung jedenfalls gesichert ist.

Standard: Kann man das illustrieren? Was wäre so eine hoheitliche Kernaufgabe?

Katzmann: Zum Beispiel die Zuerkennung oder Aberkennung eines Förderanspruchs. Das wäre eine Aufgabe, die von Privaten nicht erfüllt werden kann. Und solche Bereiche müssen ressourcen- und personalmäßig gesichert sein.

Standard: Und was wären entbehrliche Aufgaben?

Katzmann: Nur ein Beispiel aus dem Burgenland - in unserem Bericht zur Mobilfunktelefonie im Amt der burgenländischen Landesregierung haben wir angeregt, sich zu überlegen, ob die Verwaltung, Beschaffung und Administration dieses Kommunikationsmediums nicht zweckmäßigerweise von Dritten durchgeführt werden kann.

Standard: Hat man überlegt?

Katzmann: Die Administration der Mobilfunktelefonie liegt weiterhin beim Amt der Landesregierung.

Standard: Wo läge Ihrer Meinung nach in den Ländern das Sparpotenzial?

Katzmann: Sicher auch oder vor allem bei den Doppelgleisigkeiten. Die ergeben sich erstens aus der föderalen Struktur, andererseits aus der Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. Nüchtern betrachtet sind die Länder ja ihrer eigenen Gesetzgebungskompetenz in hohem Maß enthoben, zu einem hohen Prozentsatz auch die Bundesebene. Aber das Potenzial zu beziffern, das wage ich nicht. Ich kenne nämlich keine Aufgabenkritik, die als Ergebnis vorliegen würde.

Standard: Wer war da säumig?

Katzmann: Die Entscheidung, welche Aufgaben entbehrlich und welche unentbehrlich sind, ist ganz klar eine politische Entscheidung und demnach von Politikern zu treffen. Wird sie das nicht, kann eine prozessuale Optimierung - und das wäre dann zum Beispiel eine Aufgabe auch des Rechnungshofes - nur bruchstückhaft erfolgen. Aber auch die Stärkung der Rechnungshöfe ist schon ein erster Schritt. Im Vorjahr haben wir durch unsere Arbeit dem Burgenland rund zehn Millionen Euro Cash erwirtschaftet, bei einem Budget von 600.000 Euro. Eine solche Quote kann man wohl auf alle Rechnungshöfe umlegen. Und wenn nun, wie angekündigt, auch die Prüfkompetenz für Gemeinden kommt, so wäre das ein weiterer Schritt.

Standard: Es fehlt die Aufgabenkritik. Gespart soll dennoch werden. Ist das dann überhaupt sinnvoll?

Katzmann: Zuletzt hat man, hier im Burgenland zum Beispiel, über geplante Personaleinsparungen gehört. Aber allein schon von der Absolutgröße her wird man hier keine großen Einsparungen erzielen können. Das Burgenland gibt für seine aktiv Beschäftigten bei einem Jahresbudget von rund einer Milliarde Euro 83 Millionen aus. Das Personal ist also nicht der Kostenfaktor, den man gemeinhin annehmen möchte.

Standard: Es deutet aber viel darauf hin, dass genau dort der Rotstift angesetzt werden soll.

Katzmann: Zunächst einmal ist der Sparwille, den die Landesregierung schon deutlich geäußert hat, ungemein zu begrüßen. Aber wie gesagt: Mir ist bis jetzt eine Aufgabenkritik nicht bekannt. Das wäre unbedingt notwendig, denn sonst besteht ja die Gefahr, dass genau dort gespart wird, wo die staatlichen Kernaufgaben liegen und der Staat so seine hoheitlichen Verpflichtungen nicht mehr ordentlich nachkommen könnte. Und ein funktionierender Staat ist ja das Fundament, auf dem alles aufbaut.

Standard: Kennen Sie Beispiele einer solchen staatlichen Aufgabenkritik?

Katzmann: In Brandenburg gibt es etwa eine ausgezeichnete Studie der Universität Potsdam dazu. Die deutsche Bundeshaushaltordnung schreibt die Aufgabenkritik dezidiert vor. Und in Österreich arbeitet das Land Steiermark schon seit drei Jahren daran. In einer ersten groben Schätzung hat man 448 Leistungsbereiche identifiziert, deren Bedarf als eher gering eingeschätzt wurde und 138, deren Bedeutung in Zukunft abnehmen wird. Insgesamt werden in der Steiermark 3800 Leistungen der Landesverwaltung unter die Lupe genommen. Das ist der richtige Ansatz.

Standard: Wenn ein Politiker Sie um Rat fragen würde, was würden Sie ihm sagen?

Katzmann: Was ich Ihnen gesagt habe: Alle Tätigkeiten müssen einer peniblen Analyse und Kritik unterzogen werden. Oder anders ausgedrückt: erst denken, dann sparen. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2010)