"Ötzi" wurde in den vergangenen 19 Jahren gründlich untersucht. Trotzdem sorgen die Umstände seines Todes vor rund 5.300 Jahren immer noch für teils heftige Kontroversen in der Fachwelt.

Foto: South Tyrol Museum of Archaeology

Bozen - Vor 19 Jahren wurde die berühmte Gletschermumie des Mannes vom Hauslabjoch im Südtiroler Teil der Ötztaler Alpen entdeckt. Die Umstände seines Todes vor rund 5.300 Jahren geben den Forschern nach wie vor Rätsel auf und sorgen in der Fachwelt immer noch teilweise für heftige wissenschaftliche Auseinandersetzungen.

Der jüngste Diskussion rund um "Ötzi" dreht sich um eine These des italienischen Archäologen Alessandro Vanzetti, wonach der Steinzeitjäger nicht am Unfallort umgekommen, sondern im Frühjahr innerhalb seiner Tal-Gemeinschaft verstorben und erst danach auf dem Tisenjoch bestattet worden sei. Das Südtiroler Archäologiemuseum hat diese Hypothese am Dienstag als unhaltbar zurückgewiesen.

Schwächen in der Argumentationskette

Vanzettis Szenario weise in der Argumentationskette und in der archäologischen Verortung grundlegende Schwächen auf, hieß es. Seine Behauptungen könne von den meisten "Iceman-Forschern" nicht nachvollzogen werden. Die Auffindung einer Leiche aus der Kupferzeit auf dem Tisenjoch sei einmalig. Im Alpenraum seien keine vergleichbaren Fälle bekannt, vielmehr hätten sich die Bestattungsorte damals in Siedlungsnähe befunden.

Wäre der Mann aus dem Eis im April in einer Tallage gestorben und erst im September auf den Berg gebracht worden, müssten zudem stärkere Dekompositionsprozesse sowie Insektenbefall nachweisbar sein. Diese fehlten aber gänzlich. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass seine Feuchtkonservierung auf einem Gefriertrocknungsprozess beruhe. Auch die Lage des linken Armes sei undenkbar, wenn Ötzi schon ein paar Monate zuvor gestorben und mumifiziert worden sein soll. Zudem würden sich alle Gelenke des Mannes aus dem Eis in anatomisch korrekter Position befinden. "Ein Transport der intakten Mumie auf den Gletscher ist damit ausgeschlossen", betonten die Forscher.

Pollenanalyse kein Beweis

Der wichtigste Bestandteil in Vanzettis Beweisführung von einer Berg-Bestattung im Herbst seien die Pollenanalysen. Doch diese könnten aus Sicht der Südtiroler Wissenschafter nicht als Beweismittel für eine Herbstbestattung herangezogen werden. Durch den Auftauprozess würden die Pollen nicht mehr in der originalen Schichtung vorliegen, sondern mit jüngeren Schichten vermischt.

Vanzetti hatte sich zuvor überzeugt gezeigt, dass "der Eismann auf niederer Seehöhe in einem Streit getötet wurde, die Leiche wurde eingelagert, sie mumifizierte; Monate später wurde sie auf den Pass gebracht, dort bestattet und mit Grabbeigaben versehen." Das soll unter anderem erklären, warum manche von Ötzis Waffen nicht gebrauchsfähig waren, sein Bogen und zwölf der 14 Pfeile seien nur halb fertig gewesen. Analysen seines letzten Mahls hätten gezeigt, dass er es vermutlich im April zu sich genommen habe, aber die Pollen an der Fundstätte deuteten auf August/September. Da war der Schnee weg, da konnte man hinauf, im April nicht.

Bestattung auf einer Steinplatte

Außerdem sei der Steinzeitjäger laut Vanzetti an der Luft ausgetrocknet und sei nicht im Schnee begraben gewesen. Als der in den Bergen getaut war, sei er hinauf gebracht, auf eine Steinplattform bzw. eine Grasmatte gebettet worden - dies sei das, was man bisher als Umhang gedeutet habe. Dann sei der Schnee gekommen, dann taute es, wieder und wieder, er und seine Gegenstände seien verfrachtet worden, Ötzi um fünf Meter, kleinere Dinge weiter, nur sein Rucksack sei auf dem Stein geblieben. (red/APA)