Barbara Kraus erhielt einen der begehrten Start-Preise.

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Völlig neue Möglichkeiten zur Informationsverarbeitung soll die Quantenphysik bringen. Dabei wird nicht nur an Quantencomputern, -simulatoren und -kryptographie gearbeitet, sondern natürlich auch an den zugrundeliegenden Theorien der Quantenphysik. Barbara Kraus hat dazu eine ganze Reihe von Ideen und Ansätzen - und hat die besten Voraussetzungen dafür, sie umzusetzen: Sie forscht in Innsbruck, dem heimischen Quantenmekka - und wurde mit einem von sechs Start-Preisen für herausragende wissenschaftliche Nachwuchsforschung ausgezeichnet.

Damit wird Kraus am Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck ihre Forschung zur Quanteninformationstheorie (QIT) künftig mit einer eigenen Arbeitsgruppe bestreiten. Die QIT vereint Quantenphysik mit klassischer Informationstheorie. Die kleinste Einheit klassischer Information nennt man Bit. Ein Bit ist wie ein Lichtschalter, der entweder "an" oder "aus" sein kann. "Einzelne Atome verhalten sich nicht so: Der Lichtschalter kann gleichzeitig an und aus sein. Die Einheit der Information wird als quantenmechanisches Bit (Qubit) bezeichnet", erläutert die 34-jährige Innsbruckerin.

In der Quantenwelt können Systeme viel stärker miteinander verschränkt sein, als es in der klassischen Physik möglich ist. Die meisten Anwendungen basieren auf den Eigenschaften dieser Vielteilchenzustände. Diese zu untersuchen, ist eines der Hauptziele von Kraus. "Wir werden physikalisch motivierte Klassen von Zuständen untersuchen, um neue Anwendungen und Verschränkungsmaße zu finden. Zudem wollen wir neue theoretische Methoden zur experimentellen Erzeugung und Manipulation von Quantensystemen vorschlagen", schildert sie.

Es war ihre Schwester - eine von fünf Geschwistern -, die ihr zum Doppelstudium Mathematik und Physik riet. Und sie hatte den richtigen Riecher. Als Theoretikerin braucht sie für ihre Arbeit eigentlich nur Computer mit entsprechender Software und gute Bücher. In Innsbruck hat sie zudem die Möglichkeit mit theoretischen und experimentellen Gruppen zu kooperieren. Nach der Dissertation erweiterte sie ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der QIT und Quantenoptik in Forschungsgruppen in Garching (Deutschland) und Genf. "Mich fasziniert das analytische Denken. Ich bin stolz und glücklich, dass ich an dieser Forschung, in der Theorie und Experiment Hand in Hand gehen, beteiligt bin", beschreibt sie ihre Motivation.

Gemeinsam mit ihren Kollegen wird Kraus den physikalischen Vorgang der Dissipation verwenden, um verschränkte Quantensysteme zu erzeugen: "Der Prozess wird im Experiment immer vermieden, da er zu Fehlern führt. Ihn zu verwenden, öffnet aber eine Tür zu neuen Methoden. Ich werde versuchen, eine Verbindung mit dem Berechnungsmodell des Quantum Random Walk herzustellen." 2009 hat sie gemeinsam mit Kollegen aus England und Kanada gezeigt, dass gewisse quantenmechanische Berechnungen auf einem wesentlich kleineren Quantencomputer ausgeführt werden können. Mit Experimentalphysikern verwendet sie wiederum diese komprimierte Berechnung, um große Quantensysteme zu simulieren - und damit den Qubits experimentell auf die Spur zu kommen. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 01.09.2010)