Gruppenbild mit Herr: Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschulkonferenz, diskutierte mit Gender-Forscherin Heather Hofmeister, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, Archäologin Barbara Horejs und Uni-Rats-Vorsitzender Cattina Maria Leitner (v. li.).

Foto: Ch. Fischer

Manchmal sind es die vermeintlich banalen Fragen, die ein Problem genauer unter die Lupe holen: "Gibt es heute Abend Kinderbetreuung?", fragte die US-amerikanische Soziologin Heather Hofmeister Montagabend in der Strandbar Herrmann - und traf ins Schwarze. Außer der von den anwesenden 100 Frauen (und ein paar Männern) aus dem Wissenschaftsbereich privat organisierten Betreuung gab es keine.

Damit war auch schon ein zentraler Problempunkt angesprochen, der das Motto der Veranstaltung, zu der Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) eingeladen hatte, oft nachhaltig konterkariert oder verunmöglicht: "Die Sterne holen wir uns selbst vom Himmel! Frauen in Wissenschaft und Forschung." Wenn es keine adäquate Kinderbetreuung gibt, kann das mit dem Sterneherunterholen schon mal verdammt schwer werden im System der "Herr-schenden Wissenschaft".

Auch wenn es "sehr erfreuliche" Zeichen gebe, wie Ministerin Karl auflistete: Mit der neuen Rektorin Sonja Hammerschmid an der Veterinärmedizinischen Uni sitze wieder eine Frau - neben 20 Männern - in der Universitätenkonferenz, und im Privat-Uni- und Fachhochschulbereich seien ebenfalls je zwei Frauen an der Spitze. Aber sie erinnerte "am Vorabend einer Reihe von anstehenden Rektoren-Wahlen die entscheidenden Träger an den Unis, die 40-Prozent-Quote auch da nicht zu vergessen".

Nur Vielfalt ist nachhaltig

Nur mit gutem Zureden dürfte es wohl nicht getan sein, also präsentierte Heather Hofmeister, die seit 2007 die erste Professur für Gender Studies an der Rheinisch-westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen innehat (und für alle Abendveranstaltungen Gratis-Kinderbetreuung organisiert) und dort auch Prorektorin für Personal und wissenschaftlichen Nachwuchs und Berufungsbeauftragte ist, in ihrem Impulsreferat ein paar konkrete Vorschläge für eine "Effektive Leitung für die Zukunft der Wissenschaft". Die könne nämlich ohne Vielfalt - nicht nur der Geschlechter - nicht funktionieren und auch nicht gut sein, genauso wenig wie die Wissenschaft selbst: "Nur mit Vielfalt ist das wissenschaftliche System nachhaltig", betonte Hofmeister. Diese Vielfalt ist aber in den überkommenen Strukturen des Hochschulsystems nicht so einfach herzustellen, erklärte die Mitautorin der Globalife-Studie, die die Auswirkungen der Globalisierung auf Lebensläufe in 16 OECD-Staaten analysierte. Das beginne bei der alten und noch immer wirkmächtigen Zuschreibung der Verantwortung für Kinder noch immer primär an die Frauen und reiche bis zu den "Gatekeepers", die darüber entscheiden, wer im Wissenschaftssystem denn nun nach oben komme, und wer nicht.

Warum noch immer so wenige Frauen nach oben durchkommen, erklärte sich der Generalsekretär der Fachhochschulkonferenz, Kurt Koleznik, in der anschließenden Diskussion mit "konstruierten Geschlechterunterschieden. Männer müssen sich an den Schalthebeln der Macht ständig neu erfinden" - Frauen seien also quasi immer mit neu konstruierten "Gegnern" konfrontiert und somit nachhaltig gebremst.

Ran an den Pott

Sie bremsen sich aber mitunter auch selbst, scheute sich Barbara Horejs vom Österreichischen Archäologischen Institut nicht, etwas ketzerisch einzuwerfen. Frauen würden oft "saubere, aber langweilige Diplomarbeits- und Dissertationsthemen verfolgen, alles keine grundlagenerschütternden Themen, aber die Frauen müssen selbst ran an den Pott, das kann man ihnen nicht abnehmen", sagte die heuer mit dem Start-Preis (dotiert mit 1,2 Millionen Euro) ausgezeichnete Archäologin.

Man darf sie aber auch nicht auf halbem Weg allein lassen, betonte die Vorsitzende des Universitätsrates der Medizin-Uni Graz, Cattina Maria Leitner: "Frauenförderung darf nicht aufhören, wenn die Frau am Ziel ist. Die Männer wissen: Ihre Stunde schlägt, wenn die Frau in einer Spitzenpositionen arbeiten muss. Dann funktionieren die alten Seilschaften noch immer", warnte die Juristin.

"Smash Patriarchy"

Die energischste Widerrede kam schließlich von einer der jüngsten Frauen im Publikum. Für ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurers (Gras) Geschmack war etwas zu viel feminine Selbstgeißelung auf dem Podium. Sie kritisierte, dass die Frauen schon wieder die Fehler vor allem bei sich selbst suchen würden. "Tun wir doch nicht so, als seien wir selber schuld. Das stimmt nicht. Das hat System - und das ist über tausende Jahre erprobt: Es heißt Patriarchat." Die Aufschrift auf dem T-Shirt der Studierendenpolitikerin lautete übrigens: "Smash Patriarchy".

Bevor das Patriarchat zertrümmert ist, hat Beatrix Karl noch eine andere große Aufgabe vor sich, die in Heather Hofmeisters Empfehlungen an die Ministerin ganz oben stand: "Investieren Sie in die Universitäts- und Wissenschaftsinfrastruktur in Österreich." Schöner Wunsch, unschöne Voraussetzungen angesichts der angekündigten Budgetkürzungen, wie Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, die die Debatte moderierte, erinnerte.

Aber Karl ist optimistisch: Ihr Parteichef und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) habe für die Unis jährlich 100 Millionen Euro zusätzlich aus der Ökologisierung des Steuersystems versprochen. Die Crux, so Karl: "Es müsste nur die Ökologisierung auch kommen, damit ich das Geld bekomme."

Da aber könnte sich ein Problemfeld auftun, das so hartnäckig ist wie das Patriarchat. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 01.09.2010)