Vorstellung im Themenpark "Astrid Lindgrens Welt": Pippi Langstrumpf kämpft erfolgreich gegen Piraten und besingt mit Nebendarstellern ihren Triumph.

Foto: Astrid Lindgrens Värld

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Astrid Lindgrens Haus in Vimmerby.

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Wer von Stockholm nach Småland im Südosten Schwedens fährt, merkt schnell, dass Astrid Lindgren in ihren Büchern nicht geschummelt hat. Häuser im charakteristischen Falunrot mit weißen Fensterrahmen und Zäunen, Kinder, die so blond sind wie Michel aus Lönneberga: Das sind Bilder, die man hier so häufig sieht wie Kinderwägen in Stockholm. Dazwischen: unendlich große Nadelwälder, einige Elchparks und endlose Autobahnen, auf denen so wenig los ist, dass man sich ohne Beifahrer schon manchmal einsam fühlen würde.

Man könnte sich hierher für ein paar Tage zurückziehen, als Einsiedler in einer der zahlreichen Hütten an den noch zahlreicheren Seen leben und würde wohl schnell Stadt, Stress und Lärm vergessen. Die Schweden machen das angeblich sehr gerne. Viele von ihnen werden durch die meditative Stille sogar angeregt, Romane, meistens Krimis, zu schreiben.

Die Hafenstadt Västervik, die den vom Meer kommenden Besucher, wie es hier heißt, "mit offenen Armen empfängt", erscheint überfüllt im Vergleich zu diesem unendlich weiten Hinterland. Im Sommer trifft man hier für schwedische Verhältnisse zahlreiche Touristen. Sie dürfen, wenn sie Glück haben, die weltweit kitschigsten Sonnenuntergänge erleben und können, bestenfalls vom Kreischen der Möwen begleitet, durch beinahe menschenleere Straßen gehen. Diese Stadt, die auch "Perle der Ostküste" genannt wird, hat ein paar kulinarische Höhepunkte wie das Bio-Restaurant Saltmagasinet zu bieten, eines der besten Lokale im Land. Hier werden Fisch, Lamm und Rind mit reichlich Gemüse serviert.

Dahinter steht ein Aussichtsturm, von dem man die zahlreichen, auch unberührten Schären überblicken kann - sonst gibt es in Västervik vor allem Ruhe und Gelassenheit. Sollten zwei berühmte Söhne der Stadt hier auftauchen, zum Beispiel der ehemalige Tennisprofi Stefan Edberg und Björn Kristian Ulvaeus, eine der beiden "B" der legendären Popgruppe Abba, gäbe es auch keinen Aufruhr. In der Stockholmer U-Bahn hat eine Lehrerin mit verschmitztem Lächeln gemeint, die Schweden seien "nicht sehr enthusiastisch, aber korrekt" - und sie hat nicht gelogen.

Obwohl sie im Zusammenhang mit einer berühmten aus Småland kommenden Frau schon verhältnismäßig emotional werden. Über Astrid Lindgren, die aus der Kleinstadt Vimmerby stammt, scheinen alle Schweden alles zu wissen und können die zahlreichen Lieder aus den Lindgren-Verfilmungen mitsingen. Dabei setzen sie ein ganz und gar gedankenverlorenes Lächeln auf und klingen im Tonfall wie Inger Nilsson, die Anfang der 1970er-Jahre als Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf dank ihrer Bärenkräfte weltberühmt wurde. "Zwei mal drei macht vier, Widdewiddewitt und drei macht neune." Schon kann man in die berühmten Kinderbücher eintauchen, denen die größte Touristenattraktion der Region gewidmet ist. "Astrid Lindgrens Welt" ist ein Themenpark auf 130.000 Quadratmetern. Hier wurden Schauplätze der Bücher minutiös nachgebaut: die Villa Kunterbunt, die Mattisburg von Ronja Räubertochter, das Dorf Bullerbü, Lottas Krachmacherstraße oder auch das Kirschtal der Brüder Löwenherz. Etwa 70 Schauspieler spielen Szenen und singen natürlich die bekannten Songs aus den Filmen und Serien.

Idas Lied aus Michel, die heimliche Nationalhymne, klingt hier wie ein Versprechen an die Schweden, dass der Sommer nach dem langen, öden skandinavischen Winter doch immer wieder kommt, wenn auch nur kurz. "Ich glaube, der Sommer kann zaubern, die Welt hat ein neues Gesicht." Der Kitschtopf ist offen, verklärte Augen von Kindern und Erwachsenen.

Jubelstimmung dagegen bei jeder Pippi Langstrumpf-Vorstellung.

Das Mädchen mit den roten Haaren ist zwischen den zahlreichen Nebendarstellern und umringt von hunderten Kindern so leicht zu erkennen wie eine brennende Glühbirne im Finstern. Beim Anblick dieser Szenen wünscht man sich auf Pippis Limonadenbaum - den soll es ja neben Lindgrens Elternhaus tatsächlich geben. Ein bisschen träumen wird ja noch erlaubt sein. (Peter Illetschko/DER STANDARD/Album/Printausgabe, 4.9.2010)