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Kurz vor der Landtagswahl stürzt der steirische FPÖ-Chef Kurzmann in eine schwere Krise: Die Parteibasis beginnt zu rebellieren.

Foto: APA/Leodolter

Graz - Die steirischen Freiheitlichen schlittern 14 Tage vor der Landtagswahl in eine schwere Krise. Nach den Turbulenzen rund um das gerichtlich beschlagnahmte "Anti-Islam" -Spiel gerät Parteichef Gerhard Kurzmann jetzt auch intern unter Druck.

Drei FPÖ-Politiker aus dem obersteirischen Kerngebiet der Blauen, dem Bezirk Murau, haben schriftlich ihren Austritt aus der Partei erklärt. Walter Markolin, Bürgermeister in der Gemeinde Zeutschach, sagte am Freitag im Gespräch mit dem Standard: "Man muss sich heute ja fast schämen, wenn man bei der FPÖ ist. Es fehlt jede Sachpolitik, die Partei hat sich total von den Bürgern entfernt. Es gibt nur noch Propaganda. Ich will mit dieser Partei nichts mehr zu tun haben."

Die "Islam-Geschichte" sei der Gipfel: "Es soll sich doch ein jeder bei uns wohl fühlen und die gleichen Rechte, aber auch Pflichten wahrnehmen. Jeder soll frei so leben, wie er sich zugehörig fühlt, natürlich auch in der Religion."

Markolins Bürgermeisterkollege aus Neumarkt, Reinhardt Racz, ortet Chaos an der Parteispitze. Racz: "Die Partei ist Obmann Gerhard Kurzmann, der ein Ablaufdatum hat, völlig entglitten. An der Parteispitze herrscht nur noch Zynismus und Überheblichkeit. Wer unliebsam ist, wird gnadenlos verfolgt. Und nur mit diesem leidigen Ausländerthema Politik zu machen, ist uns zu wenig. Die Menschen hier haben ganz andere Probleme." Der Protest stoße innerhalb der FPÖ auf "große Zustimmung" , glaubt Racz: "Der nächste Protest wird aus der Südsteiermark kommen." Auch dort gebe es bereits Parteiaustritte.

Die FP Steiermark müsse sich "neu gründen" , um glaubhaft zu sein. In der Partei hätte eine Grazer Gruppe mit Burschenschaftern das Kommando übernommen und die FP extrem nach rechts geführt. Es habe auch "völlig unakzeptable Vorfälle, die sehr weit nach rechts gehen" , gegeben, sagte Racz. Der dritte blaue "Rebell" , Horst Prodinger, Gemeindekassier von Predlitz-Turrach und ab 2013 parteiloser Teilzeitbürgermeister, ergänzte in einem Gespräch mit dem ORF-Radio, das Anti-Islam-Spiel sei "das Tüpferl auf dem i" gewesen. Die Gruppe wolle sich vom rechten Parteiflügel und der "Ausländerhetze" abgrenzen. Prodinger: "Ich schäme mich dafür, wenn Parteigenossen die Hand zum Gruß heben. Mein Wunsch wäre, dass die FP bei der Wahl Schiffbruch erleidet."

Kurzmann, Mölzer ungerührt

In der Parteizentrale in Graz zeigte sich derweil Parteichef und Spitzenkandidat Gerhard Kurzmann ungerührt von den Austritten. "Das schadet uns nicht" , meint er auf die Frage des Standard, "die Herren waren nur enttäuscht, dass sie nicht auf der Liste zur Landtagswahl sind." Zudem dreht Kurzmann, der zu einem Pressegespräch mit dem blauen EU-Abgeordneten Andreas Mölzer geladen hatte, den Spieß um.

Nicht er habe sich von den Bürgern entfernt: "Ich höre auf die einfachen Menschen und ihre Probleme" , sagt er. Und gleich danach erzählt er vom Referat, das "Andi (Mölzer, Anm.) gestern in Leitersdorf über die Islamisierung gehalten hat" . Auch Mölzer, dessen Familienwurzeln in einer abtrünnigen Gemeinde, nämlich Neumarkt, liegen, ist das Chaos im Bezirk Murau keinen Satz wert.

Stattdessen plant der EU-Abgeordnete eine Lesereise von Thilo Sarrazin durch Österreich, und er will den islamkritischen Film des niederländischen Politikers Geert Wilders im Parlament zeigen. (Walter Müller, Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2010)