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Hochwasser in der Innsbrucker Altstadt aufgrund übergelaufener Kanäle (oben) und Abpumpen nach einem Wasserrohrbruch (unten): Die Analyse der Wassernetze soll derartige Fälle eindämmen.

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Innsbrucker Ingenieure entwickeln ein Modell für die Suche nach Schwachstellen im Netz.

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Gift im Trinkwasser, ein Terrorangriff auf das Wasserversorgungssystem einer Großstadt - solche Szenarien bereiten nicht nur Katastrophenmanagern schlaflose Nächte. Tatsächlich ist die bewusste Zerstörung von Wassernetzen immer wieder Mittel der Kriegsführung, ebenso wie Sabotage zu den Taktiken terroristischer Gruppen gehört. Aber es muss nicht gleich Krieg und Terror sein - auch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen können die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung schlagartig gefährden - siehe Pakistan oder China.

Über eine gesicherte Wasserversorgung macht man sich auch in unseren Breiten Gedanken. "Der Standard der Versorgungsnetze ist an sich recht gut in Österreich. Vor allem ist genug Wasser vorhanden", sagt Michael Möderl, Umwelttechniker an der Universität Innsbruck. "Aber viele Anlagen sind veraltet, da kann es schon Rohrbrüche geben, die großen Schaden anrichten. Auch Murenabgänge und Lawinen können Leitungen beschädigen."

Regelmäßig überfluten Wasserrohrbrüche ganze Straßenzüge in Wien und legen den Verkehr lahm. Zuletzt riss im Juli am Wiener Gürtel ein Rohrstrang aus dem Jahr 1936. Auch wenn es keine Hauptwasserleitung war - das Wasser unterspülte die Straße und hob die Fahrbahn um einige Zentimeter an. Folgenschwer können auch Kollateralschäden an der Wasserinfrastruktur sein, die bei Bauarbeiten entstehen. Nicht zuletzt bringt oftmals Hochwasser die Abwassernetze zum Überlaufen. So haben starke Unwetter im Juli die Innsbrucker Kanalisation dermaßen überfordert, dass die Altstadt bis zu einem halben Meter unter Wasser stand.

Sensible Bereiche absichern

Wo die Schwachstellen sowohl in der Trinkwasserversorgung als auch in den Entwässerungssystemen liegen, das wollen Möderl und sein Team ganz genau aufdecken. "Man kann nicht das gesamte System schützen", sagt der Leiter des Projekts "Achilles", benannt nach dem Helden der griechischen Mythologie, der nur an seiner Ferse verwundbar war. "Aber wir können besonders kritische, sensible Bereiche definieren, wo die Leitungen bevorzugt erneuert oder doppelt abgesichert werden sollten." Kritisch wird es etwa dann, wenn die Trinkwasserversorgung einer Gemeinde von nur einer Quelle abhängig ist. "Es sollte mindestens drei Standbeine geben, damit die Versorgung sichergestellt ist", sagt Möderl.

Seit Anfang dieses Jahres entwickelt das Institut für Infrastruktur der Uni Innsbruck gemeinsam mit einer Reihe von Partnern ein Planungswerkzeug, um Schwachstellen in der urbanen Wasserinfrastruktur zu identifizieren - im laufenden Betrieb und im Notfall. Ziel des Projekts, das vom Sicherheitsforschungsprogramm "Kiras" des Verkehrsministeriums gefördert wird, ist es, Gefährdungskarten zu erstellen, die als Grundlage für die Verbesserung der oft ohnehin sanierungsbedürftigen Netze dienen und im Notfall schnelle Schritte ermöglichen.

Basierend auf mathematischen Modellen, die mit sämtlichen Daten der Leitungen eines Gebiets - Wassermengen, -geschwindigkeit, Druckverhältnisse, Pumpenkapazitäten etc. - gespeist sind, simulieren Möderl und sein Team Schritt für Schritt, was passieren würde, wenn eine der Komponenten des Systems ausfällt. "So bewerten wir, welche Leitungen im Schadensfall die größten Auswirkungen auf die Versorgung hätten." Um möglichst exakte Ergebnisse zu bekommen, begeben sich die Forscher regelmäßig in Kanäle und zu Quellen, um die Daten des Modells mit jenen vor Ort abzugleichen. "Alle Parameter müssen sorgfältig kalibriert werden", betont der Ingenieur.

Kombiniert werden die Informationen über die Verwundbarkeit des Netzes mit Daten über das Gefahrenpotenzial (etwa durch Muren und Lawinen), die das Zentrum für Naturgefahren und Risikomanagement alpS in ganz Tirol erhebt. "Erst durch diese Kombination kann man das tatsächliche Risiko einschätzen", sagt Möderl. Derzeit wird das Modell mit den Kommunalbetrieben in Innsbruck und Hall in Tirol sowie den Vorarlberger Gemeinden Götzis und Göfis auf die Probe gestellt. Bis zum Juli 2011 soll die Software zur Offenlegung jeglicher Achillesfersen bereit sein.

Dazu gehört auch, nach geeigneten Messpunkten zu fahnden, an denen möglichst frühzeitig Kontaminierungen festgestellt werden können, um das Risiko für Vergiftungen einzugrenzen. Aufgabe von Achilles ist es ebenso, kritische Stellen in den Abwassernetzen zu identifizieren. "Bei Starkregen und Hochwasser müssen städtische Kanäle gezielt entlastet werden", erklärt Möderl. Um mehr über die Prozesse bei der Entwässerung zu lernen, analysieren die Ingenieure nun die Überschwemmung vom 17. Juli in Innsbruck bis ins Detail. In Österreich werde noch diskutiert, ob neben der Wasserversorgung auch die Entwässerungsanlagen als kritische Infrastruktur gelten, merkt Möderl an. In den USA etwa sei das bereits der Fall. "Dort hat man schon viel früher angefangen, mit solchen Simulationsprogrammen zu arbeiten. Da gibt es europaweit noch ein Defizit." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 15.09.2010)