Ralph Dutli, "Fatrasien. Absurde Poesie des Mittelalters". € 19,90 / 144 Seiten. Wallstein, Göttingen 2010

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Was ist das nur? Gab es lachende Surrealisten schon im 13. Jahrhundert? Oder stammt all dies von einem Ur-Ur-Uhr-Ahnen H. C. Artmanns? Der Schweizer Ralph Dutli, der seit vielen Jahren in Heidelberg lebt und sich als Übersetzer aus dem Russischen einen Namen machte, präsentiert Übertragungen sogenannter "Fatrasien". Die ihren Untertitel zu Recht tragen.

88 Poeme, streng gebaut - elf Verse, die ersten sechs haben fünf Silben, die restlichen fünf sieben, es darf nur zwei Reime geben -, und entfesselt verrückt. 55 anonyme Beispiele dieser für die französische Stadt Arras um 1290 typischen Spott-, Karnevals- und Verkehrte-Welt-Literatur hat Dutli eingedeutscht plus Arbeiten eines französischen Notablen und weitere Poeme aus etwas späterer Zeit. Insgesamt 88.

Schallendes, närrisches Gelächter hebt das Haupt in diesen Poemen. Oben wird unten, unten oben, dem Tod wird poetisch in die Knochen gespuckt, die Ordnung steht Kopf: "Ein großer saurer Hering / belagerte die Stadt Gisors / und zwar von beiden Seiten, / und zwei tote Männer / kamen schnell angerannt, / eine Tür tragend." Anderes in diesem Fundstück der besonderen Art erinnert an die Bilderwelt des Surrealismus.

Hintersinnig zitiert Dutli in seinem klugen Nachwort Vergil: "Zauberlieder können sogar den Mond vom Himmel herunterholen." Das tun sie hier. (Alexander Kluy / DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.10.2010)