Aussteller aus 110 Ländern werden vom 6. bis zum 10. Oktober an der Frankfurter Buchmesse ihre Neuerscheinungen präsentieren.

Foto: Michael Probst

Frankfurt am Main - Am Donnerstag wird die verschwiegenste und geheimnisvollste Jury der Literaturwelt in Stockholm den diesjährigen Nobelpreisträger küren. Der Preis würdigt das Lebenswerk eines Schriftstellers und hat in seiner Geschichte immer wieder die Erwartungen überrascht, übertroffen oder auch enttäuscht, und manchmal konnte man seine Vergabe als klares politisches Signal lesen.

Andere Absichten verfolgt der Deutsche Buchpreis, der heuer bereits zum sechsten Mal am Abend vor der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal im Frankfurter Römer vergeben wird: nicht um einen Schriftsteller zu ehren, sondern primär, um einen Roman zum "Buch des Jahres" zu küren. Es geht dem Börseverein des Deutschen Buchhandels, der hier als Initiator und Veranstalter fungiert, also um ein Produkt, dessen Verkauf gefördert werden soll. Der Buchpreis ist also keineswegs ein Abbild der literarischen Saison, sondern ein groß angelegtes Vermarktungsinstrument.

Das Procedere ist werbewirksam umständlich und staatstragend aufgebaut: Der Börseverein, der als Standesvertreter für Verleger und Buchhändler gilt, ernennt eine elfköpfige Akademie des Deutschen Buchpreises, die unter anderem Kulturminister Bernd Neumann zu ihren Mitgliedern zählt und ihrerseits die jährlich wechselnde Jury bestellt. Die Jury wiederum setzt sich aus Literaturkritikern sowie Vertretern von Handel und Institutionen zusammen und hat dieses Jahr insgesamt 148 Einreichungen von Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgesehen. Im August wird daraus eine Longlist mit 20 Büchern ermittelt, vier Wochen darauf werden die sechs Finalisten auf die Shortlist gesetzt.

Empörte Kritiker

Und so empört manche Kritiker Jahr für Jahr die wirklich wichtigen Neuerscheinungen der Saison auf dieser Shortlist vermissen, so überraschend traf die Wahl in der kurzen Geschichte des Deutschen Buchpreises dann meist jüngere Autoren, die vor der Auszeichnung auf dem Markt keineswegs überpräsent waren: Vor Kathrin Schmidt 2009 waren dies Arno Geiger, Katharina Hacker, Julia Franck und Uwe Tellkamp.

Als einziger Österreicher hat es heuer Doron Rabinovici auf die Shortlist geschafft: "Andernorts" heißt sein Roman, der sich mit den großen Themen des Judentums auseinandersetzt. Ausgehend von einer Familiengeschichte debattiert Rabinovici die Shoah, das Erinnern und Vergessen. Auch im Beitrag des Salzburger Jung und Jung Verlages steht eine Familiengeschichte und die Gespaltenheit im Vordergrund: Melinda Nadj Abonji wurde 1968 in Serbien geboren und übersiedelte als Kind mit der Familie in die Schweiz. Von der Heimats- und Identitätssuche handelt ihr Roman "Tauben fliegen auf". Auch "Rabenliebe" beschreibt eine Suche nach Identität: Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek erzählt in seinem autobiografischen Roman über einen Knaben, der in Waisenheimen der DDR aufwächst und erst spät erfährt, dass seine Mutter noch lebt und ihn zurückgelassen hat, als sie in den Westen floh.

Von einer Jugend im sozialistischen Prag erzählt Jan Faktors Roman "Sorgen um die Vergangenheit", vom Großwerden in der norddeutschen Provinz jener von Judith Zander ("Dinge, die wir heute sagten"). Einzig Thomas Lehr wendet sich vom Privaten ab: "Fata Morgana" ist ein west-östlicher Monolog über die kriegerischen Folgen des 11. September. (Isabella Pohl / DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2010)