Über Bildungstrends im Bankensektor und die Attraktivität der Branche (v. li.): Hannes Enthofer (Finance Trainer International), Andreas Müller (Erste Bank), Martina Ernst (Bank Austria) und Thomas Leutgöb (Raiffeisen International).

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"Bis 2005 waren Banken eigentlich 'Verkaufsmaschinen'", sagt Hannes Enthofer, Partner von Finance Trainer International. Dementsprechend wurden die Mitarbeiter auch für den Verkauf geschult, das Verständnis der Produkte trat in den Hintergrund. Durch die Finanzkrise sei es aber zu einem Umdenken gekommen, so Enthofer.

Grundsätzlich hätten sich, so Enthofer, durch die Krise zwei Weiterbildungstrends der Banken entwickelt. Zum einen inhaltlich - da gewisse Geschäftsfelder wie beispielsweise der Treasury-Bereich kleiner wurden, sei auch die Nachfrage nach Schulungen dort zurückgegangen, im Feld des Asset-Liability-Managements dagegen stärker nachgefragt. Zum anderen geht der Trend weg von Präsenztrainings hin zu webbasierter Weiterbildung, so seine Erfahrung. Blended Learning - also ein Mix aus Präsenz- und Online-Training - werde verstärkt nachgefragt. Und: "Ich glaube nicht, dass sich die Kostenbremse der Banken wesentlich lösen wird."

Den Fokus auf "verständige Mitarbeiter" kann Andreas Müller, Leiter der Erste School of Banking & Finance, Erste Bank Group, nur unterstreichen. Dennoch dürfe bei aller Vorsicht das Marktrisiko nicht gegen das Produktrisiko ausgetauscht werden.

Martina Ernst, Head of Corporate Center HR Business Partner, Bank Austria UniCredit Group, sieht auch Compliance-Schulungen für alle Mitarbeiter als zentrales Weiterbildungsthema der Banken. Das führe unweigerlich auch zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Unternehmenswerten, so Ernst.

Doch gerade hier sieht Thomas Leutgöb, Chief Learning Officer, Raiffeisen International, Online-Trainings wenig erfolgversprechend. Denn Compliance sei ein Thema, das mit starken kulturellen Unterschieden befrachtet sei. "Und wenn die Messlatte dafür von einer andere Kultur vorgegeben wird, ist es schwierig diese nur auf intellektueller Seite zu vermitteln", sagt Leutgöb.

Geeignete Didaktik

"Produkte, Service und Moral sind in den Ländern Zentral- und Osteuropas sehr unterschiedlich und müssen dementsprechend in jedem Land anders angegangen werden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen", ergänzt Müller. Auch bei den Weiterbildungsangeboten müsse daher genau überlegt werden, was die richtige Methode sei. "Kostenersparnis ist sicherlich nicht der Grund für Blended-Learning-Angebote", hält er fest. Denn es gehe darum, für jede Zielgruppe die geeignete Didaktik zu wählen. Und seiner Erfahrung nach sei gerade bei den sogenannten Millennials das Bedürfnis nach Präsenzangeboten sehr hoch.

Die Benchmark bei der Beurteilung bleibe der Präsenzunterricht, ergänzt Enthofer, der auch als Maßstab für die E-Learning-Angebote gilt. Wichtig sei, dass die Dropout-Quote beim E-Learning so gering wie möglich ist. "Dafür braucht es Selbstdisziplin, aber auch sogenannte Cyber-Trainer, die die Teilnehmer betreuen", so Enthofer. "Schlussendlich geht es aber darum, was einer kann, und nicht darum, wie viele Kurse er besucht hat", ergänzt Müller. Und den Beweis dazu könne der Mitarbeiter nur in seiner täglichen Arbeit antreten.

Leutgöb stellt auch einen stärkere Fokussierung auf eine breite Generalistenausbildung im Bankensektor fest. Produkte und Dienstleistungen stünden nun in alle Richtungen auf dem Prüfstand. Da brauche es Mitarbeiter, die ein breites Wissen mitbringen. Reputationsrisken sind in dieser Branche noch stärker ins Zentrum gerückt.

Das notwendige Fachtraining werde dann von den Banken "à la Carte" angeboten, ergänzt Müller. Um auch Bachelors für den Berufseinstieg zu motivieren, wurden von den Banken auch umfangreiche Talentprogramme eingerichtet. "Für die Kurse, die im Rahmen eines Trainee-Programms besucht werden, erhalten die Teilnehmer ETCS-Punkte. Damit wollen wir auch berufsbegleitendes Studieren fördern", erklärt Ernst. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, Printausgabe,9./10.10.2010)