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Die Vorbereitungen zur Rettung laufen auf Hochtouren

Foto: AP/Hugo Infante

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Querschnitt der Rettungskapsel

Grafik: APA

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Chronologie des Minenunglücks

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Journalisten und Kamerateams haben sich vor der Mine ein Camp errichtet

Foto: AP/Carlos Espinosa

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Die Familien der Verschütteten haben sich schon Wartezelte vor der Mine aufgebaut

Foto: AP/Jorge Saenz

Der weltweit mit Spannung erwartete Beginn der Rettung der verschütteten Kumpel in Chile verschiebt sich nun doch wieder um einige Stunden. Chiles Präsident Sebastian Pinera sagte am Dienstag bei der Mine San Jose in der Atacama-Wüste, der Test mit der Kapsel beginne um 23.00 Uhr Ortszeit (Mittwoch 4.00 Uhr MESZ). Damit war es ausgeschlossen, dass der erste Bergmann noch vor Mitternacht an die Oberfläche gezogen werden könnte, wie das zunächst angekündigt worden war. Einen Grund für die neue Verzögerung nannte der Staatschef, der per Hubschrauber zu der Mine gekommen war, nicht. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen erfuhr, soll als erster der 31-jährige Florencio Avalos in einem Metallkorb nach oben geholt werden.

Zunächst sollen jedoch vier Rettungskräfte durch den Schacht zu den in 700 Metern Tiefe eingeschlossenen Kumpeln hinabgelassen werden, um sie in ihrem Schutzraum auf ihre Auffahrt in einer engen Kapsel vorzubereiten. Danach werden die 33 Bergleute einzeln an die Erdoberfläche gebracht. Für jede Tour wird ungefähr eine Stunde gerechnet. Nach spätestens zwei Tagen sollen alle Minenarbeiter oben sein. Unmittelbar nach ihrem Ausstieg aus dem Schacht sollen die Kumpel zunächst in einem Feldlazarett medizinisch untersucht werden.

Wenige Stunden vor der Bergung des Ersten von 33 in der chilenischen Gold- und Kupfermine San José eingeschlossenen Bergleuten herrscht hochgespannte Erwartung. Kaum haben die Sonnenstrahlen den dichten Nebel über der extrem trockenen Atacama-Wüste durchdrungen, werden hunderte aus der ganzen Welt angereiste Journalisten aktiv. Sie bauen für ihre Kameras Holzgerüste auf, ausgerichtet auf den Rettungsschacht, aus dem die Verschütteten einer nach dem anderen mit Kränen und Seilwinden aus ihrem Gefängnis in 700 Meter Tiefe hochgezogen werden sollen.

Die Tests mit der Rettungskapsel "Phönix" seien erfolgreich gewesen, erklärt Chiles Bergbauminister Laurence Golborne. "Die Kapsel wurde bis auf 61 Meter hinuntergelassen", sagt er. "Sie hat nicht geschaukelt und es hat nicht einmal gestaubt." Alles sei für die Endphase der Aktion, die das Martyrium der bisher weltweit am längsten eingeschlossenen Bergleute beenden soll, bereit.

Grillfest zum Empfang

Auch die Angehörigen der 33 Minenarbeiter haben sich bereits auf einen festlichen Empfang eingestellt. Am Montag fuhren die Ehefrauen in die Stadt Copiapó, um sich im Friseursalon "Palumbo" schön machen zu lassen. "Mir haben sie das Haar gefärbt und geglättet, damit es gut aussieht, wenn mein Mann heraufkommt. Die Haare waren vom langen Warten in der Sonne verbrannt," schilderte Lilianet Ramírez, Ehefrau von Mario Gómez, der mit 63 Jahren der älteste der Eingeschlossenen ist.

Die meisten Angehörigen planen große Willkommensfeiern daheim, mit einem "Asado", dem typisch chilenischen Grillfest. "Wir haben fast alles vorbereitet. Wir sind über 50 Leute und werden im Haus unserer Eltern feiern, nur unter uns, damit mein Cousin ausruhen und unter seinen Leuten sei kann", sagt Silvia Segovia, Verwandte des Bergmanns Víctor Segovia. Nachsatz: "Wir wissen, dass der Andrang der Medien groß sein wird."

In Copiapó warteten die Menschen darauf, den Bergleuten einen "Heldenempfang" zu bereiten. Sobald sie aus dem Schacht herauskommen, will man die Geretteten mit Hubschraubern auf die Basis des 40 Kilometer entfernten Infanterieregiments Nummer 23 fliegen und dann in Rettungsautos ins Krankenhaus von Copiapó bringen. Die Verbindungsstraße Los Carrera wurde für die Begrüßung bereits geschmückt. In Copiapó und weiteren Orten der Umgebung wie Caldera und Bahía Inglesa sind alle 4000 Betten in Hotels und Pensionen ausgebucht. Auch Wohnwagen werden zur Übernachtung vermietet. Die Fremdenverkehrsorganisation von Copiapó rechnet mit Extraeinnahmen von insgesamt elf Milliarden Pesos (16,7 Millionen Euro).

Das Zentrum der Aufmerksamkeit bleibt aber das "Camp der Hoffnung" bei der Mine San José selbst, zu dessen Schutz 150 Polizisten abgestellt worden sind. Sie überwachen unter anderem das strikte Alkoholverbot, das seit 22. August in Kraft ist, als bekannt wurde, dass es bei dem Bergwerksunglück Überlebende gibt.

Prediger im Hoffnungscamp

Wie ein Magnet hat das "Campamento Esperanza", in dem die Verwandten der Verschütteten seither ausharren, Reporter großer Fernsehstationen aus aller Welt angezogen. Auch aus allen Teilen Chiles sind seltsame Gestalten eingetroffen: Volkstümliche Poeten und Sänger, christlich-fundamentalistische Prediger und sogar Clowns.

In diese immer surrealistischer werdende Atmosphäre mischen sich aber auch bittere Kommentare von Angehörigen, die mit dem Verlauf der Rettungsaktion nicht zufrieden sind. Vor einigen Tagen verlangten sie von Andrés Sougarret, dem Chefingenieur der Rettungsaktion, vor Beginn der Bergung den Rettungsschacht durch Metallröhren zu verstärken – vergeblich. Tatsächlich sind nur die obersten 96 Meter des Schachtes stabilisiert worden.

"Es will doch niemand, dass jemand auf halbem Weg stirbt. Das wäre eine Katastrophe", sagt José Sánchez, der Vater von Jimmy, der mit 19 Jahren der Jüngste der Eingeschlossenen ist. "Da mit der Rettung so lange gewartet werden musste, können wir nicht ausschließen, dass jetzt unter Druck unnötige Risiken eingegangen werden."

Mit "Druck" ist die Ankündigung des chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera gemeint, der angekündigt hat, er würde gerne bei der Rettung dabei sein, bevor er sich am 15. Oktober auf eine Europareise begibt. Für Piñera, der seit Beginn des Dramas bei allen Wendepunkten anwesend war, scheint sich der Einsatz vor Ort ausgezahlt zu haben. Seine Popularitätswerte sind seither deutlich gestiegen.

Verwandte der Verschütteten hingegen nehmen daran Anstoß, dass sie auf Informationen in mehreren Fällen warten mussten, bis der Präsident am Unglücksort angekommen war. So etwa, als die Überlebenden am 22. August den international berühmt gewordenen Zettel mit der Aufschrift "Sind wohlauf im Schutzraum – die 33" hinaufschickten. Piñera trägt besagten Zettel seither immer bei sich: Auf einer US-Reise in die USA zeigte er ihn sogar Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger. (Claudio Pizarro aus San José, DER STANDARD Printausgabe 13.10.2010)