Paris - Der Präsident des EU-Reformkonvents, Valery Giscard d'Estaing, hat am heutigen Dienstag das von ihm vorgestellte Reformprojekt verteidigt. Der ehemalige französische Präsident ersuchte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der die Einführung eines ständigen EU-Präsidenten als "Ende der Union als Gemeinschaft" bezeichnet hatte, einen "kühlen Kopf" zu bewahren. "Behalten wir einen kühlen Kopf und erachten wir die Vor- und Nachteile eines turnusmäßigen Vorsitzes des EU-Rates", erklärte Giscard im französischen Radiosender "France Info".

"Wir nehmen der Kommission überhaupt keine Macht"

"Eine turnusmäßige Präsidentschaft, das bedeutet 20 Präsidenten der Europäischen Union in den nächsten zehn Jahren und niemals dieselbe Person zwei Mal", gab der zentrumsbürgerliche Politiker zu bedenken. "Wir . Im Gegenteil, ich schlage sogar vor, die Autorität des Kommissionspräsidenten gegenüber der Kommission zu verstärken", fügte Giscard hinzu und betonte, dass seine Reformvorschläge "ein besseres Funktionieren der gemeinschaftlichen Methode" garantierten.

In einer am Dienstag veröffentlichten Rede hatte Prodi betont, dass die Europäische Union mit den Reformvorschlägen Giscards "nicht mehr eine Gemeinschaft wäre". "Sie würde in Wirklichkeit eine durch ein politisches Direktorium geleitete Freihandelszone werden", betonte der EU-Kommissionspräsident und fügte hinzu, dass die Vorschläge Giscards "das Ende der gemeinschaftlichen Methode" bedeutete.

Konvergenz in außenpolitischen Linien

Zu seinem Vorschlag, einen europäischen Außenminister zu schaffen, meinte der Präsident des EU-Konvents, dass dieser die Aufgabe habe "zu versuchen, die Außenpolitik der Mitgliedsländer anzunähern". "Man kann nicht von einem Tag auf den anderen auf eine gemeinsame Außenpolitik übergehen, aber man kann eine Konvergenz der außenpolitischen Linien anstreben", erklärte Giscard. Das Gipfeltreffen zur Schaffung einer europäischen Verteidigungsunion am Dienstag in Brüssel, an dem sich Frankreich, Belgien, Deutschland und Luxemburg beteiligten, bezeichnete Giscard als Beispiel in diesem Sinne.

Der EU-Reformkonvent wurde von den Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im belgischen Schloss Laeken im Dezember 2001 eingesetzt, um eine Reform der Institutionen und Entscheidungsprozesse der Union auszuarbeiten. Ziel ist es, die EU transparenter, demokratischer und effizienter zu gestalten. Der Konvent soll seinen Verfassungsentwurf, der von den Regierungen der Mitgliedsstaaten abgesegnet werden muss, bis Ende Juni vorlegen.

Mit seinen Ansichten ist Giscard im EU-Konvent vor allem bei den Vertretern kleinerer Mitgliedsstaaten auf heftigen Widerstand gestoßen. Sie fürchten um das bisher hoch gehaltene Prinzip der Gleichberechtigung aller Staaten, sollte die rotierende Ratspräsidentschaft abgeschafft werden. Dem Konvent gehören 105 Mitglieder an, 16 wurden vom Europaparlament nominiert und zwei von der Europäischen Kommission. Dazu kommen je ein Vertreter der Regierungen und je zwei Vertreter der nationalen Parlamente der 15 Mitgliedsstaaten und 13 Beitrittskandidatenländer sowie der Konventspräsident und seine beiden Stellvertreter, die früheren Regierungschefs Jean-Luc Dehaene (Belgien) und Giuliano Amato (Italien).(APA)