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Foto: APA/Maurizio Brambatti

Dann wären da noch die weißen Socken. Als dritter Grund dagegen. Die ersten Gründe, gibt B. zu, wären in diesem Zusammenhang vielleicht nicht so wichtig. Die Socken schon. Die weißen Socken, meint B., erklären nämlich, warum Radprofis schlechte Vorbilder sind. (Die ersten beiden Gründe - der Vollständigkeit halber - lauten laut B. erstens "Doping" und zweitens "unehrlicher Umgang mit Punkt eins".)

Ihn selbst, gibt B. zu, habe der dritte Grund immer wieder ästhetische Grundsatzdebatten mit sich selbst führen lassen. B. ist Radfahrer. Einer, der zu (fast) jeder Jahreszeit und Witterung mit dem Alltagsrad zur Arbeit fährt, am Wochenende die schweinsteure Rennmaschine auspackt und sich in Profimontur wirft und dann 100 oder 120 Kilometer runterspult. (Sex nach dem Radfahren, meint B. manchmal, wäre eventuell ein vierter Grund.)

Das größte Problem am Radsport, sagt B., sei für ihn das Verstehen der Sache mit den weißen Socken. Weil da zwei Dogmen aufeinander prallen: Weiße Socken sind ein "Nono". Andererseits gilt auf dem Rad das Gegenteil: Den Prolo erkennt man daran, dass seine Socken anders als weiß sind. Und B. hat noch immer nicht herausgefunden, wieso das eigentlich so ist. Aber weil er sich den Luxus des Protokolleinhaltens in Stylingfragen gerne und gut leisten kann, beiße er in den sauren, weißen Apfel. Am Wochenende. Und auf der Rennmaschine.

Das dürfe man - bitte - auf keinen Fall mit Alltagsradeln gleichstellen. Lieber in Moonboots als mit weiß gekleideten Knöcheln. Denn Radfahren und Gutangezogensein sind kein Widerspruch. Schon lange nicht. Und zwar weder für Männchen noch für Weibchen. Ein paar Regeln gebe es aber schon. Und einige hätten auch mit der Farbe Weiß zu tun.

Aber anstatt da jetzt groß zu referieren, schlägt B. den Selbstversuch vor: weiße Hose, weißes Hemd - und auf dem Mountainbike an der Hofburg vorbei. In Salzburg, glaubt B. in der falschen Stadt zu leben, hätten sie einen, der Rossäpfel einsammelt. In Wien püriert die MA 48 die Scheiße mit Straßenreinigungswagerln. Und damit der Wind den Kackastaub nicht einfach wegtrage, werde der Dreck dann mit Wasser am Boden gehalten. Bis er von den Reifen hochgeschleudert werde.

Kotflügel? B. lacht. Die "Rossapfel-Prada-Streifen"-Spur werde so lediglich breiter. Abgesehen von weißem Gewand, ist B. überzeugt, sei aber wenig a priori dem Schick auf dem Rad abträglich: Schweißflecken sähen sowieso immer schrecklich aus - aber er bekäme sie in einer sommerlich vollen U-Bahn genauso schnell. Mindestens. Und jene Spangen, Klettverschlussbänder oder - in Notfällen - Büroklammern, mit denen er seine Hosen vor dem Kontakt mit der Kette bewahre, dürfe man eben nicht abzunehmen vergessen.

Sicher, vor echten Fehlern sei auch er nicht gefeit gewesen: Am Anfang seiner Allwetterradlerzeit habe er mitunter Regenschutz und Galoschen getragen. Aber weil was rasch nass wird, meist schnell wieder trockne - und er sich lächerlich vorgekommen sei -, habe er all das rasch wieder abgelegt. Sakko und halblange, halbwegs dichte Jacken wären genug. Dass er den Helm aus ästhetischen Gründen meist zu Hause vergesse, sei "bei Lichte betrachtet wirklich blöd".

Aber sonst? Über radgerechtes Styling bei Frauen und Mädchen vernünftig zu reden, gibt B. zu, tue er sich schwer. Zumindest dann, wenn er nicht frühlingshaft-pubertär feixen dürfe. Aber: Solle er denn lügen und behaupten, dass er nicht gerne hinschaue (und sich mit dem bei ihm natürlich nur aufgrund seines Trainingsvorsprunges geradezu zwanghaften Überholen mehr Zeit lasse als sonst), wenn vor ihm ein Mädchen mit Lowcut-Jeans auf hohem Mountainbikesattel und tiefem Lenker fährt?

Das würde ihm ohnehin keiner glauben, meint B., und beruft sich im Übrigen auf seine Freundin E. Die, E., sagt nämlich, dass es am Rad wie im echten Leben eigentlich vor allem eine Frage des Selbstbewusstseins und des Auftretens ist, ob man - oder frau - stilvoll aussieht. Deshalb könne sie auch ohne einen Moment des Zweifels mit einem Minirock Rad fahren: Männer würden sowieso und fortbewegungsartunabhängig immer glotzen. Da helfe wohl nicht einmal eine Burka.

Und wer richtig auf einem Fahrradpedal (mit dem Fußballen, nicht der Fußmitte über der Achse, referiert E.) stehe, könne sogar Flipflops oder High Heels tragen - und sich dann gleich doppelt darüber freuen, wenn ein Fahrradbote überholt wird. Vor allem dann, wenn er, der Bote, nicht im schlabberig-coolen Skater- oder Alternativclublook, sondern im nervösen Tour-de-France-Outfit unterwegs sei. Nicht nur, weil es ein netter Kick sei, einen Profi zu schlagen. Sondern auch, weil es ein weiterer Beweis dafür sei, dass weiße Socken zu nichts taugen. Nicht einmal beim Radfahren. (DER STANDARD/rondo/02/05/03)