V.l: Alfred Noll (Rechtsanwalt, Schwerpunkt Medienrecht), Jörg Wipplinger (Blogger diewahrheit.at) und Gerlinde Hinterleitner (Vorstand und Chefredakteurin derStandard.at).

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Moderiert wurde das "Offline-Forum" von Daniela Kraus (Medienhaus Wien).

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Vor über hundert Zuhörern wurde diskutiert.

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Ab wann ist ein Blogger Journalist, und welche rechtlichen Unterschiede gibt es zwischen den beiden? Das Medienhaus Wien und derStandard.at luden zu einem "Offline-Forum" in den Roten Salon des Palais Trauttmannsdorff, um über das Wesen und Wirken von Bloggern zu diskutieren. Gerlinde Hinterleitner (Chefredakteurin derStandard.at), Jörg Wipplinger (Blogger diewahrheit.at) und Alfred Noll (Rechtsanwalt, Schwerpunkt Medienrecht) debattierten über Blogkultur in Österreich, rechtliche Rahmenbedingungen und Berührungspunkte mit den klassischen Medien.

Poster, Blogger, Journalisten

Eine der Fragen, die immer wieder kommt, ist die nach der Abgrenzung von klassischen Journalisten - Sind Blogger ihre Konkurrenten oder Kollegen? Hinterleitner: "Blogger sind Kollegen und oft eine wertvolle Informationsquelle. Sie können journalistische Aufgaben übernehmen, auch wenn sie in keinem Medienunternehmen tätig sind". Auch Poster, so Hinterleitner, würden oft wertvollen Input liefern. "Dass ein User mehr als der Journalist weiß oder auf Fehler hinweist - das kommt jeden Tag vor".

Das Podium war sich einig, dass die Grenzen zwischen Journalismus und Blogging fließend sind und eine Trennung oft gar nicht möglich oder sinnvoll ist. Auch Wipplinger sieht die Einteilung als willkürliche Schubladisierung: "Die Kategorisierung hat für mich nie eine Rolle gespielt. Ob die Leute das, was ich mache, als Blog oder Journalismus sehen, ist ihre Sache."

"Mist" gibt es überall

Medienanwalt Noll wies auf einen Unterschied hin, nämlich die Erwartungshaltung der Leser. "Was man von Journalisten erwartet: Das Produkt der Arbeit soll im Hinblick auf die Tatsachen richtig sein. Bei Bloggern habe ich diese Erwartung zunächst einmal nicht, ich gehe davon aus, dass jemand vorrrangig eine Meinung rüberbringen will". Nolls Fazit: "Es gibt bei traditionellen Medien Leute die Mist schreiben, und es gibt Blogger die Mist schreiben".

Viel Diskussionsstoff boten die rechtlichen Rahmenbedingungen des Bloggens. Wipplinger, der sich selbst einer Klagsandrohung der Firma Kleiderbauer ausgesetzt sah, riet allen Kollegen zu einer Rechtsschutzversicherung. Noll zum Thema, was man schreiben darf und was nicht: "Wenn die Tatsachen stimmen, wird das Risiko der Klage gegen Null tendieren. Die Fakten bewerten kann man wie immer man will." Das gelte aber für Journalisten ebenso wie für Blogger. Wer sich an Fakten und deren Bewertung halte, habe nicht viel zu befürchten. Noll: "Man kann aber natürlich eine Rechtsschutzversicherung abschließen, Blogger sollten das wie andere Organisationen auch tun".

Die eigene Wortwahl überdenken

Noll betonte: "So wie wir alle das Recht auf freie Meinungsäußerung haben, hat jeder, der Objekt der Berichterstattung ist, das Recht auf Unangetastetheit seiner Persönlichkeit. Das ist so in einer Demokratie, und das ist gut so." Wenn man sich entschließe, Kritisches zu publizieren, müsse man auch seine Wortwahl bedenken, so der Medienanwalt. "Wenn ich sage, dass etwas Scheiße ist, dann ist das ein Wertungsexzess, also eine Qualifikation, die lediglich auf Herabsetzung gerichtet ist. Aber die Umschreibung davon wäre ok, wenn ich also etwa sage etwas ist schlecht." Kurzum: "Man kann jeden beleidigen, man muss es nur richtig machen".

Einen Unterschied gibt es dann doch zwischen Bloggern und Journalisten: Wenn ein Journalist die journalistische Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat, kann er etwa wegen übler Nachrede nicht belangt werden. Blogger genießen dieses Privileg nicht. "Es wäre sinnvoll, den Anwendungsbereich auf Blogs auszuweiten", schlägt Noll vor. Der Blogger müsste dann aber auch beweisen, dass er entsprechend recherchiert hat.

Bei einer Veranstaltung mit so vielen Bloggern und Medienmenschen im Publikum war es nicht überraschend, dass das Thema "Vernetzung" aufkam. Hinterleitner: "Die österreichische Bloggerszene könnt sich noch mehr vernetzen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen". Eine entsprechende Blogger-Community, verbunden mit der Überlegung einer kollektiven Rechtsschutzversicherung, sei gerade in Planung, hieß es aus dem Publikum. (az, derStandard.at, 15.10.2010)