Margit Mezgolich hält als künstlerische Leiterin des TAG die kreativen Fäden in der Hand: "Bei mir laufen alle Informationen zusammen, ich bin so etwas wie das denkende, kreative Verteilerzentrum."

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"Eigentlich habe ich es meinen Hüften zu verdanken, dass ich Schauspielerin geworden bin", grinst Margit Mezgolich. Die Kreativchefin des Wiener TAG - Theater an der Gumpendorfer Straße, Autorin und Regisseurin wusste schon immer, dass sie auf die Bühne gehört. Mit 15 wollte sie zwar eigentlich Musicalstar werden, hatte ihr selbst gegründetes Tanztheater mit Produktionen im Linzer Ursulinenhof und war damit schon mit 13 "so etwas wie eine Provinzberühmtheit", aber: "Wegen meines Gewichts bin ich leider nach einem Jahr unfreiwillig aus der Musicalschule in Wien hinausempfohlen worden."

Der Bühnenkarriere tat das jedoch keinen Abbruch: Mit 16 wechselte sie an die Schauspielschule des Wiener Volkstheaters unter der Intendanz von Emmy Werner und sammelte dort erste Berufserfahrung und Kontakte zu KollegInnen aus der Schauspielwelt. Dem Abschluss folgten Engagements quer durch die Wiener Mittelbühnen, nach Linz, Berlin, Klagenfurt. "Irgendwann hab ich aber gemerkt, dass mir das, was ich da tu, zu wenig ist. Ich wollte mehr Einfluss nehmen auf die Theaterarbeit; die engen Text- und Inszenierungsgefüge, die mir aufgezwungen wurden, dieses 'Du musst von da nach da gehen', haben in mir klaustrophobe Attacken ausgelöst."

Die erste Eigenproduktion

Mit wenig Ehrgeiz und vielen Zweifeln spielte sie zwar weiterhin, begann daneben aber eine Ausbildung zur Psychotherapeutin. Bis sie ein paar befreundete SchauspielerInnen mit der Idee, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, aus der Reserve lockten: "So hab ich mit 26 begonnen, meine eigenen Stücke zu schreiben und mit zwei Kolleginnen das 'L.U.S.Theater Wien' gegründet." Ihre erste Produktion, "Weibsbilder", wurde - nach einem Probestart für Freunde und Theaterleute im Aera - erfolgreich im Theater Drachengasse uraufgeführt und ging dann auf Tour durch Österreich. Davon bestärkt, folgten weitere Eigenproduktionen. "Und dann ging es relativ flott aus der freien Szene hinaus in den etablierteren Betrieb, ich erhielt Anfragen als Regisseurin und Autorin, unter anderem vom Theater der Jugend, Landestheater Linz, Volkstheater oder Next Liberty Graz."

Das TAG entsteht

Die ersten Schritte in Richtung Intendanz machte Margit Mezgolich 2005, als die Stadt Wien den Gruppen L.U.S.Theater, urtheater und Theater Kinetis im Rahmen der Wiener Theaterreform anbot, gemeinsam die Leitung des Hauses "gruppe80" an der Gumpendorferstraße zu übernehmen. Im Jänner 2006 öffnete das Haus schließlich unter dem neuen Namen "TAG - Theater an der Gumpendorferstraße" seine Pforten - mit neuem Konzept und sieben gleichberechtigten künstlerischen LeiterInnen, eine davon Margit Mezgolich. "Es war also ein gutes, langsames Einkochen, bis ich in der Saison 2009/10 schließlich die alleinige künstlerische Leitung des TAG übernommen habe. Ich konnte schön hineinwachsen in diese Aufgabe."

Kreatives Verteilerzentrum

Ihr Alltag sei davon dominiert, "zu schauen, dass es allen gut geht und jeder über die Vorgänge im Haus Bescheid weiß. Bei mir laufen alle Informationen zusammen, ich bin so etwas wie das denkende, kreative Verteilerzentrum." In ihrer Verantwortung liegt das gesamte künstlerisch tätige Personal, mitverantwortlich ist Mezgolich auch für den Verkauf der Inhalte nach außen.

Da im TAG sämtliche Stücke erst am Haus selbst entwickelt werden, gehört auch das ständige Lesen und Überlegen neuer Stoffe, Vorlagen und Materialien für die Planung der nächsten Saison zu ihren Aufgaben. Die Entscheidung, was von wem auf den Spielplan kommt, fordere ihr Vertrauen, Erfahrung und die Beobachtung der laufenden Arbeit auf der Bühne: "Wir sind ein risikobereiter Haufen. Bei uns wird viel geforscht, experimentiert und improvisiert, wir beginnen ein Stück manchmal auch ganz ohne Textvorlage. Wir sind eine Nische für Theatermacher und es ist wichtig, dass eine Produktion von einer Person als Autor und Regisseur betreut wird. Die Förderung dieser Personalunion, wie ich es auch selber war, liegt mir sehr am Herzen."

Geheimnisse lassen

Ihr größtes Ziel als künstlerische Leiterin sei "ein volles Haus mit angeregten Zuschauern": "Es ist super, wenn sich Leute die Zeit nehmen, ins Theater zu gehen, da muss man schon was zu bieten haben", erklärt sie ihre Ansprüche. "Ich möchte Theater bieten, dass einen leicht ironischen Blick auf die Dinge hat und selbst bei schweren Stoffen nicht zu schwer wird. Kein moralisierendes Theater, aber eines für mündige Zuschauer, dass zum Denken und die Phantasie anregt. Theater soll sich nicht selbst total erklären, sondern den Figuren und den Zuschauern ein Geheimnis lassen."

Theatereltern

Eng zusammen arbeitet Margit Mezgolich mit ihrem Mann Ferdinand Urbach, der im Nachbarzimmer die Geschäfte des TAG führt. Die gemeinsamen Kinder Max (7) und Mira (4) lieben das Berufsfeld ihrer Eltern: "Die ganze Schule weiß schon über das TAG Bescheid", lacht die Theaterchefin. Zu Hause bemühen sich die Eltern zwar, Beruf Beruf sein zu lassen, aber das sei oft leichter gedacht als getan - besonders bei größeren Umbrüchen am Haus, etwa wenn heuer schon das zweite Jahr 150.000 Euro Förderung gestrichen wurden, Personal gekündigt und der Proberaum aufgelöst werden musste.

In ihrer Doppelfunktion als Mutter und Theaterchefin hat Margit Mezgolich einen sehr dichten Terminkalender, der ihr kaum Zeit für anderes lässt. "Da denke ich aber erst in zehn Jahren darüber nach", sagt sie. "Ich habe mir einmal einen Wochenplan gemacht, weil mich interessiert hat, was der Ferdinand und ich alles zu tun haben und wie wir das schaffen. Da war exakt keine Minute mehr frei, um zu verschnaufen. Das macht aber nichts, weil wir beide mit Leidenschaft dabei sind." Um die Vierzig herum sei eben die „Rush Hour" des Lebens: "Ich bin ein Hamster im Rad und laufe - aber es läuft super", lacht sie. Die Kinderbetreuung sei Organisationssache, da helfen die Großeltern, die Schule, der Kindergarten, die Pfadfinder, der Gitarrenunterricht. Und da am Theater fast alle Kinder hätten, könne sie auch auf internes Verständnis und Unterstützung des Teams in Kinderfragen zählen.

Es werden mehr

In der freien Szene und an den Mittelbühnen ist Margit Mezgolich, im Vergleich zu den etablierten Häusern, als Theaterchefin längst nicht mehr alleine. Mittlerweile gibt es zahlreiche Frauen, die Theater leiten. Für die ehemalige "Volkstheaterschülerin" immer schon selbstverständlich, denn: "Ich habe unter Emmy Werner begonnen, das war für mich ganz normal, dass eine Frau ein Haus leitet. Regisseurinnen sind mir früher eher selten begegnet, aber auch die werden jetzt immer mehr - die Frage, warum so wenige Frauen inszenieren, hört man immer seltener."

Abheben

Um sich von den MitbewerberInnen abzuheben, seien auch immer wieder neue Ideen gefragt, die ihr Theater von anderen unterscheiden. Und die Richtlinie muss stimmen: "Ich glaube, dass wir mit unserer Art, Uraufführungen zu entwickeln und zu schauen, was Sprechtheater mit zeitgenössischen Formen in der freien Szene und mit dieser Personalunion Autor-Regisseur heute leisten kann, sehr gut unterwegs sind."

Besonders wichtig ist Margit Mezgolich die interne Qualitätskontrolle am eigenen Haus, vor allem, was die Inhalte betrifft: "Ich möchte, dass ich jeden Text, der hier im Hause entsteht, gerne zu anderer Zeit nochmal ausdrucke und wiederlese, dass er für mich so qualitativ hochwertig ist, dass ich ihn mir ins Bücherregal stelle. Die Dinge, die bei uns aus dem Moment heraus entstehen, sollen einen Wert haben für später." Und eines begleitet sie sowieso immer: "Die Suche nach dem perfekten Theaterabend." Und wann ist der perfekt? "Nie!" (Isabella Lechner, dieStandard.at, 17.10.2010)