Der Weg des nachhaltigsten Widerstands ist kein einfacher: Bruder Christophe (Olivier Labourdin) steht in Xavier Beauvois' "Des hommes et des dieux" vor einer schwierigen Entscheidung.

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Der Fall, auf dem Xavier Beauvois' Film Des hommes et des dieux (Von Menschen und Göttern) beruht, liegt mittlerweile fünfzehn Jahre zurück, an Brisanz hat er gleichwohl nichts eingebüßt. Er behandelt eine Konstellation, in der religiöser Eifer und politische Interessenlagen, wie sie noch heute das geopolitische Geschehen bestimmen, den Rahmen für eine schwierige, eine lebensentscheidende Wahl bilden.

Im Zentrum steht eine Gruppe von Mönchen des Zisterzienserordens, die ihre Arbeit an einem Außenposten in Algerien, dem Kloster von Tibhirine, tun. Islamistischer Terror erschüttert das ohnehin fragile Gleichgewicht des Landes. Die Zerrissenheit zwischen Pflicht und Selbstschutz, die sich aus dieser Lage ergibt, lässt sich bald auf eine Frage herunterbrechen: Bleiben oder gehen?

Dass der Film daraus nicht eilfertig ein Exempel statuiert - und damit zum Vehikel einer politischen Idee wird -, darin liegt sein großer Verdienst. Es geht ihm um mehr: um ein menschliches Drama; um die Frage, wie man seinen Überzeugungen gemäß handelt, wenn die Umstände dies eigentlich gar nicht mehr erlauben; um das Opfer, das man bereit ist zu bringen, selbst wenn dies das Äußerste bedeutet: den Tod. Das klingt nach viel Stoff für Pathos. Es wird jedoch auf ebenso zurückhaltende, disziplinierte wie nuancierte Weise umgesetzt.

Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Im März 1996 wurden sieben Mönche von Tibhirine entführt; zwei Monate später fand man die enthaupteten Opfer. Zu der Tat bekannte sich zwar die berüchtigte islamistische Terrorgruppe GIA, aber die wahren Hintergründe des Verbrechens blieben unklar. Bis heute ist die Rolle des algerischen Geheimdienstes und der Armee umstritten; André Glucksmann und Bernard-Henry Lévy, die beiden medienwirksamen Starphilosophen, schrieben - auf Einladung des Regimes - Reportagen, in denen sie die Täter zu kennen meinten.

Miteinander der Religionen

Xavier Beauvois lässt sich auf solche politischen Spekulationen erst gar nicht ein. Sein Fokus ist auf das mönchische Leben gerichtet, während der politische Kontext sich meist nur über bestimmte Begehrlichkeiten ins Bild schiebt: die dahindarbende Landbevölkerung, die auf die Medizin und die Verpflegung der Kirchenmänner angewiesen ist. Hier wird ein Miteinander unterschiedlicher Religionen in einem ganz praktischen Sinn konfliktfrei gelebt. Genau das lässt die Mönche allerdings für Extremisten erst zum Ziel werden. Und das steigert wiederum die Nervosität der amtsführenden Politiker: So lange sie noch können, sollen die Möchne doch ihr Privileg nützen und das Land verlassen.

Die mit viel Feingefühl geführte Kamera von Caroline Champetier lässt das Leben im Kloster, das von Ritualen strukturiert wird, als kollektives Miteinander erleben. Entschlüsse werden gemeinsam gefasst, und je bedrohlicher die Situation gerät, desto mehr Widerspruch regt sich, vor allem auf der Seite der jüngeren Mönche. Die umliegende Natur, deren bukolische Anmutung sie zu einem bevorzugten Rückzugs- und Meditationsort macht, lässt den Ort noch mehr als Alternative zu der Welt draußen erscheinen, ihren Verwerfungen, die unausweichlich auch das Kloster erreichen.

Angeführt von Lambert Wilson, der Christian, den geistlichen Leiter der Gemeinde, spielt, einen in der Sache ebenso bestimmten wie um das Gemeinwohl besorgten Mann, steht Beauvois ein großartiges Ensemble an Charakterdarstellern zur Seite. Michael Lonsdale verkörpert den guten Geist der Truppe, einen Arzt, der sich trotz seines Alters nicht davon abbringen lässt, seinen Aufgaben nachzugehen - auch dann noch, wenn er einen "Feind" vor sich hat. Es ist eine der bezeichnenderen Szenen des Films, wenn die Terroristen am Heiligen Abend Einlass in das Kloster verlangen und Christian, der auch den Koran studiert hat, sich mit den beschwichtigenden Worten einer geistlichen Autorität durchzusetzen vermag.

Widerstand und Rebellion

Um welchen Preis lässt sich in einer eskalierenden Lage eine unparteiische Position bewahren - so könnte dann auch die zentrale Überlegung von Des hommes et des dieux lauten. Für Xavier Beauvois, der 1992 mit dem autobiografisch gefärbten Familiendrama Nord debütierte und mittlerweile zu einem der interessantesten Regisseure seiner Generation gereift ist, ist sie eigentlich ungewöhnlich: In seinen Filmen sind die Figuren bisher in Institutionen eher auf Widerstand gestoßen.

N'oublie pas que tu vas mourir (Vergiss nicht, dass du sterben wirst), mit dem er bereits 1995 in Cannes prämiert wurde - in diesem Jahr bekam er den Großen Preis der Jury -, erzählt von einem jungen Mann aus bürgerlichen Verhältnissen, der sich dem Militärdienst verweigert und schließlich auf die schiefe Bahn gerät; Beauvois spielt ihn selbst. Auch in dem vielbeachteten Polizeifilm Le petit lieutenant erweist sich der angestrebte Job bei der Pariser Polizei für einen Rookie keineswegs als das Ziel seiner Wünsche.

In Des hommes et des dieux bewahrheitet sich hingegen das Prinzip, dass äußerer Druck die innere Festigkeit nur vergrößert. Bei der zweiten Abstimmung sind sich die Mönche sicher, welchen Weg sie gehen wollen. Das letzte Abendmahl inszeniert Beauvois als spirituellen, gleichwohl ganz realistischen Moment: Tschaikowskys Schwanensee läuft aus dem Kassetttenrecorder, während das Travelling der Kamera die bewegten Gesichter der Mönche umfasst. (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2010)