66 Jahre und nicht leise. Liedermacher Sigi Maron kehrt mit dem Album "Es gibt kan Gott" wieder.

Foto: ERWIN SCHUH

Darauf wettert er wie eh und je gegen die Dummheit und ihre vielen Kinder.

Wien - Wer Sigi Maron persönlich kennengelernt hat, weiß, dass oft nur wenige Minuten genügen, um mit ihm mindestens diskutieren zu können. Er personifiziert das, was im Booklet von Marons neuer CD Es gibt kann Gott ängstlich wie liebevoll als "streitbarer Geist" bezeichnet wird.

Maron ist zudem einer der wenigen österreichischen Musiker, die den Titel Liedermacher stolz als Handwerker tragen dürfen. Installateure einmal ausgenommen. Die haben zwar auch mit Dichtkunst zu tun. Aber, na gut.

Handwerker stellen Güter her oder Dienstleistungen bereit, um damit das Leben der Menschen besser, verträglicher, einfacher oder schöner zu machen. Handwerker helfen. Und die Kunst hat dies gefälligst auch zu tun.

Sigi Maron muss man sich dabei als Herrgottsschnitzer an der Schnittstelle von Sinn und Zweck und künstlerischem Mehrwert vorstellen. Als Atheist und überzeugter Kommunist, der 1998 und 2003 gar für den Niederösterreichischen Landtag kandidierte, mag er zwar nicht an höhere Mächte glauben. Wenn die Leute allerdings innerlich nicht ganz so deppert sind, wie sie äußerlich tun, kann man ihnen mit grob aus dem Holzklotz des gesunden Menschenverstands geschnittenen Spiegelbildern ihrer Befindlichkeit manchmal die Augen öffnen.

Es muss nicht immer so, es könnte auch anders gehen. Sigi Maron war und ist ein politischer Liedermacher. Er singt im Wiener Dialekt. Das geht dem Zielpublikum aller Besserung gelobender Wappler direkter hinein. Übrigens auch jenen aus den eigenen Reihen. Maron ist da unerbittlich.

Der heute 66-Jährige wurde im Umfeld der Arena-Bewegung 1976 mit dem Album Schön is' das Leb'n und 1978 mit Laut & Leise bekannt. Stets mit vollem Herzen und oft mit harschem, unversöhnlichem Geschimpfe dargebrachte Lieder wie der Hausmasta, die Mizzitant oder der soziale Amoklauf Ballade von ana hoatn Wochn (Leckts mi aum Oasch) werden noch heute gern gehört, wenn es darum geht, aufsässig zu sein.

Dass Maron auch zärtlicher kann, ohne weich zu werden, zeigen Lieder wie Heite kann i, heite derf i, Geh no net furt oder das schaurig schöne Triabes Koides Wossa; Letzteres ein Song für eine Landschaft ohne Menschen. Ein leckes Atomkraftwerk, dem alle Dichtkunst nicht helfen konnte, trägt Schuld.

Legendärer Zwischenfall

Nach Kollaborationen mit den Musikern des britischen Songwriters Kevin Coyne oder Konstantin Wecker kam es in den frühen 1980er-Jahren zu einem legendären Zwischenfall. Der seit seiner Jugend wegen Kinderlähmung im Rollstuhl sitzende Mann protestierte vor dem Wiener Funkhaus gegen den Boykott von Ö3, die Musik kritischer heimischer Liedermacher zu senden, und wurde deshalb von der Polizei in die psychiatrische Notaufnahme gebracht.

Nach längerer physischer Krankheit und daraus entstandenen 14 Jahren Zwangspause liegt nun mit Es gibt kan Gott endlich wieder ein, man kann es nicht anders sagen, kräftiges Lebenszeichen von Sigi Maron vor.

Darauf sind 14 mit einer jungen, dem Reggae nicht abgeneigten Begleitband eingespielte neue Lieder enthalten. Auf einer Bonus-CD werden sie von einer Werkschau ergänzt.

Sigi Maron wettert wie eh und je gegen die Dummheit und das Schlechte, gegen die Rechten, die Rechthaber und gegen linke Glücksspielfirmen. Es geht gegen die Banken, die Krise und die Hirntoten. Er kann aber auch nach wie vor dem lyrischen Hoffnungsfach etwas abgewinnen: "Ohne Hoffnung im Herzen kaunst net leben. Irgendwo muass a Zukunft gebn."

Protestieren gegen einen Ö3-Boykott könnte der gute Mann übrigens weiterhin. Allerdings müsste er den Protest auf den ganzen ORF ausweiten. Niemand heute würde Sigi Maron deswegen für verrückt erklären. (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2010)