Veit Sorger verteidigt Kürzungen bei Familienleistungen und den Beamtenabschluss.

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Standard: Die Studenten protestieren gegen Kürzungen bei Familienleistungen. Soll die Regierung bei den Sparplänen nachschärfen?

Sorger: Ich bin absolut gegen ein Nachschärfen. Jetzt ist Budgetkonsolidierung angesagt. Dazu müssen alle beitragen. Das muss man voranstellen. Auch wir freuen uns nicht über zusätzliche Belastungen. Aber man muss schon festhalten: Die Regierung hat standortpolitisch über weite Strecken verantwortungsvoll gehandelt. Bei den Themen, die wirklich standortschädlich gewesen wären - nämlich bei Vermögenssubstanzsteuern, bei der Gruppensteuer - ist es nicht zu Verschlechterungen gekommen.

Standard: Sind die Studenten zu verwöhnt vom Sozialstaat?

Sorger: Wir sind alle vom Sozialstaat verwöhnt. Wir haben eine enorm hohe Sozialquote, die in eine hohe Steuerquote mündet. Zu den Studenten: Man muss schon sagen, dass Österreich bei Familienleistungen mehr als der EU-Schnitt anbietet. Das muss berücksichtigt werden.

Standard: Strukturell hat die Regierung wenig gemacht. Bei der Hacklerregelung wird zwar der Zugang erschwert, sie bleibt aber bis 2050 bestehen. Sie haben die Hacklerregelung immer abgelehnt.

Sorger: Und dabei bleibe ich auch. Daher ist die Budgeteinigung auch eine zweischneidige Sache. Zwar wurde auf den Standort Rücksicht genommen, aber im ganzen Pensionsbereich, bei der Schulverwaltung oder im Gesundheitswesen vermisse ich strukturelle Reformen. Das Wort Verwaltungsreform traue ich mich schon gar nicht mehr in den Mund zu nehmen. Und was mich am meisten stört: Wir möchten auch einen Beitrag der Länder und Gemeinden sehen. Dort ist nichts passiert. Ich verstehe auch nicht, warum die Länder einen Anteil an der Bankenabgabe bekommen sollen. Man kann diese Abgabe als Entschädigung für Haftungen und übernommenes Risiko sehen. Aber welche Haftungen haben die Länder übernommen?

Standard: Die Beamtengehälter werden im Schnitt um ein Prozent angehoben. Hätte man - wie in anderen Ländern - Kürzungen vornehmen sollen?

Sorger: Wir können und sollen uns nicht mit Irland, Griechenland oder Spanien vergleichen. Das Ergebnis von durchschnittlich einem Prozent ist sicher eine herzeigbare Leistung. Auch wenn man sehen muss, dass die Leistungsträger deutlich weniger bekommen.

Standard: Heißt das, Sie sind gegen die soziale Staffelung?

Sorger: Für heuer ist das okay. In den nächsten Jahren müssen aber Leistungsträger stärker berücksichtigt werden, das gilt für den öffentlichen Dienst genauso wie für die Privatwirtschaft.

Standard: Laut Budgetpfad sinkt das Defizit bis 2014 auf 2,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ist das ambitioniert genug?

Sorger: Wir werden Reserven ansammeln müssen. Die Wirtschaft verläuft nicht gleichmäßig. Wenn 2014 ein super Jahr wird, wäre es schade, wenn wir 2,2 Prozent Defizit machen. In guten Jahren sollten wir Überschüsse anstreben.

Standard: Vielleicht auch mit Privatisierungen?

Sorger: Auf Landes- und auf Bundesebene. So könnte man Spielraum für Zukunftsinvestitionen in Unis, Forschung, Wissenschaft und Schulen schaffen.

Standard: Sie haben den Standortfaktor angesprochen. Sie erwarten also kein Abwandern von Firmen?

Sorger: Die Regierung hat versucht, den Standort Österreich im Vergleich zu anderen Ländern zu stärken. Das ist in vielen Bereichen gelungen.

Standard: Trotzdem jammern alle. Die Luftfahrtindustrie sieht sich wegen der neuen Flugticketabgabe benachteiligt.

Sorger: Natürlich ist das sehr schwer zu verdauen und wird negative Auswirkungen haben. Darum werden sicherlich Überlegungen angestellt, wie man das mit erhöhtem Service und Kostenersparnissen ausgleichen kann.(Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 29.10.2010)