Wien - Es ist sicher sehr lange her, dass ein Konzert mit zeitgenössischer Musik unter solchen Störungen abgehalten wurde wie diese Eröffnung von Wien Modern. Wobei die Missfallensäußerungen des Publikums nicht den gespielten Stücken galten, sondern der Eröffnungsrede. Die von Eva Kleinitz (Stuttgarter Operndirektorin) vorgebrachte Abfolge von Gemeinplätzen quittierte der Saal mit kleinen Gemeinheiten wie Gelächter und Niesen, unterbrach sie mit Applaus - und schon war die Rede vorbei.

Dabei hatte man mit der erstmals abgehaltenen Zeremonie nach dem Muster großer Sommerfestivals ein Zeichen setzen wollen, wie Wien-Modern-Präsident Bernhard Kerres mit der ihm eigenen Leidenschaft betonte. Mit der eigentlichen Eröffnung durch Bundespräsident Heinz Fischer, der in seiner Ansprache den Staat an seine Verpflichtung gegenüber moderner Kunst erinnerte, war das zuvor auch gelungen.

Erleichterung bei allen, als endlich das ORF Radio-Symphonieorchester Wien für Johannes Maria Stauds Neufassung von On Comparative Meteorology kam: ein farbenreiches, virtuoses Kompendium oft schlagzeuglastiger Orchesterklänge, das geeignet wäre, das Vorurteil von der generellen Hermetik neuer Musik auszuräumen und das von Dirigent Peter Eötvös pointiert umgesetzt wurde.

Von ungeheurer Zugkraft dann das Baritonsaxofonkonzert von Georg Friedrich Haas mit seinem dröhnenden Klangkosmos, in dem sich das Gegeneinander von Solist (Marcus Weiss) und Orchester abspielen; von größter Verfeinerung die drei breit angelegten Sätze von Mark Andres ...auf... mit ihren grandios durch den Raum bewegten Geräuschen und zeitlupenartig ausgebreiteten Klangfeldern. Gänzlich frei von verbaler Unterforderung endete das Eröffnungswochenende dann aber mit dem glänzenden SWR Sinfonieorchester Baden-Baden unter Dirigent Sylvain Cambreling. Ben Johnstons Quintet for Groups (1966) bedarf auch keiner Erklärung. Es charmiert eigentlich durch rätselhafte Ausdruckswendigkeit und episodenhaft-sprunghafte Anlage, die perkussiven Bombast ebenso kennt wie spätromantische Streicher und Soloausbrüche.

György Kurtags New Messages for Orchestra (ohnedies ein Wunder an poetischer Aphoristik) konnten dann noch ökonomischer wirken. Wie auch das brodelnde, letztlich aber ein bisschen lang anmutende NUN von Helmut Lachenmann, wobei Flöte, Posaune und Männerstimmen in der "Orchesterarena" markante Statements abgaben. (daen, tos, DER STANDARD/Printausgabe 2.11.2010)