Engagement für Straßenkinder in Rumänien, Bulgarien und Moldawien baute der Sozialseelsorger Georg Sporschill Obdachlosenhäuser für Jugendliche in Wien und gründete den Canisibus.

Foto: Concordia

Wien - "Ich hätte fast geweint, als er über die Kinder erzählt hat." Sätze wie dieser sind an jenem Nachmittag im GRg3 Hagenmüllergasse vermehrt zu hören. Wo man auch hinsieht, blickt man in ergriffene Gesichter, als Pater Georg Sporschill zu erzählen beginnt. Dabei teilten die jungen Besucher zuvor noch die pure Begeisterung, als einige seiner rumänischen Schützlinge musizierten.

Der Vorarlberger Sozialseelsorger berichtete von sich und seinem Einsatz für Straßenkinder, der damit begann, dass er 1991 von seinem Jesuitenorden nach Rumänien geschickt wurde.

Ein kleines Wunder

Als er damals zusammen mit drei Studenten in Bukarest aus dem Zug stieg, habe er nicht mit dieser Schar von Straßenkindern gerechnet, welche sie in kürzester Zeit umringten. Die verängstigten Kinder und Jugendlichen schrieen und stupsten die Reisenden an, sodass Sporschill schon fast wieder zurück in den Zug steigen wollte, als er plötzlich eine Hand an seiner spürte. Ein kleines Mädchen hielt ihn fest und ließ ihn nicht mehr los. Dieses "Wunder", wie es Sporschill nennt, habe ihn stark gemacht und dazu ermutigt, seinen Weg fortzusetzen.

Den aufmerksam lauschenden Schülern erzählt Sporschill, wie er nach vielen Fehlern den richtigen Weg gefunden habe und schließlich das erste Haus für Straßenkinder in Rumänien errichten konnte. So entstand der Verein Concordia, dessen Motto lautet: "Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt!"

Mittlerweile besteht Concordia aus zirka 1000 Mitgliedern. Ehemalige Straßenkinder wohnen zusammen in Häusern und bilden liebevolle Familien. Sie sind dankbar für den Schlafplatz, die warmen Mahlzeiten, die Familie und die Ausbildungsmöglichkeiten. Doch die Jugendlichen wollten weitergeben, was sie empfangen hatten, und auch Straßenkindern in anderen Ländern helfen. Daraufhin wurde in Rumäniens Nachbarland Moldawien eine Stadt der Kinder erbaut, in der fortan auch moldawische Kinder Zuflucht finden konnten.

"Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nicht richtig wahrgenommen, dass auch erwachsene Obdachlose und alleingelassene Menschen Hilfe brauchen", erzählt der Pater. Den Anlass dafür gab ihm ein kleiner Junge, der von einer Lehrerin auf der Straße aufgelesen wurde. Sie erzählte ihm von der Wohnmöglichkeit und zeigte ihm die Häuser. Als der Junge gefragt wurde, ob er bleiben wolle, erwiderte er: "Ich kann nicht. Denn ich muss doch dafür sorgen, dass Nadejda Wasser hat und etwas zu essen. Ich kann sie nicht alleine lassen." Nadejda war eine 90-jährige Frau, die nicht mehr aufstehen konnte und sehr krank war. Der Junge hatte sich um sie gekümmert und wollte nicht, dass sie starb. "Wir versicherten ihm, dass wir auch für Nadejda sorgen würden. Daraufhin war er froh, bei uns bleiben zu können", schildert Sporschill. "Ein wenig später erkundigte sich die alte Frau nach dem Bub: ob er gut esse und gesund sei. Als sie sicher war, dass es ihm gut ging, schlief sie friedlich ein und wachte nicht mehr auf."

Schließlich eröffnete der Verein die erste von mittlerweile 40 großen Suppenküchen, "Casa Nadejda - Haus der Hoffnung" in Moldawien, und brachte das Essen zu den bedürftigen Menschen auf die Straße. Die Küche ist heute gleichzeitig ein Sozialzentrum und Treffpunkt für Bedürftige.

Schließlich bat der "Sozialarbeiter" einige ehemalige Straßenkinder auf die Bühne, die von Rumänien angereist waren. Spontan erzählten die Jugendlichen traurige und bewegende Geschichten, von Gewalt, Tod und Armut, die sie zu bewältigen hatten.

Da uns dieser Nachmittag alle sehr berührt hat, spendeten wir die Einnahmen unserer Veranstaltung an Concordia.  (Miriam Lindner, Philipp Schuller, Julia Kinderman, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.11.2010)