Zwei Tage vor dem eilends einberufenen Sondertreffen von Sicherheitsexperten bei den zentralen EU-Institutionen konnte in Brüssel niemand genau sagen, welche konkreten Beiträge die EU-Kommission zur Paketbombenserie liefern könnte. Weder verfügt sie über eigene Polizei oder Sprengstoffexperten, noch kennt sie sich besonders mit gewaltbereiten Linksextremisten in Griechenland aus. Die gelten als Absender der postalischen Bomben an Berlusconi, Sarkozy und Co.

Dennoch ist es richtig, wenn sich die Sicherheitsleute aus dem ganzen EU-Gebiet in einer Krise sofort versammeln. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hat mit seiner Initiative den richtigen Reflex bewiesen. Sein Land ist als größter Umschlagplatz von Luftfracht aus dem Mittleren Osten (von wo die jüngsten Paketbomben in die USA kamen) freilich hauptbetroffen. Nicht nur Einzelne, ganze Länder erweisen sich als verletzlich. In der Not ruft man die oft gescholtene EU gerne zu Hilfe. Gut so. Im Binnenmarkt ohne Grenzen sollte vorbehaltlose Polizeikooperation normal sein, mit allen grundrechtlichen Sicherheiten. Im Normalfall spielen die Nationalstaaten im Bereich innere Sicherheit und Justiz seit jeher eher das Gegenteil, grenzen sich ab, sorgen mit Alleingängen für Verwirrung.

Das freut in der Regel die Kriminellen, wenn es um Verbrechen geht, quält aber Flüchtlinge, wenn es um Migration geht. Europäische Standards können das verhindern. (Thomas Mayer, STANDARD, Printausgabe, 04.11.2010)