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Brigitte Kulovits-Rupp

Foto: APA/Schlager

Brigitte Kulovits-Rupp, Chefin des ORF-Stiftungsrats, ist für den Abgang des "undemokratischen Renaissancefürsten" Elmar Oberhauser. Das Redakteursstatut trete er "mit Füßen". Kulovits-Rupp ist auch für Generalswahlen im Frühjahr und schätzt persönlich den amtierenden ORF-Chef Wrabetz. Harald Fidler fragte.

STANDARD: Während unseres Gesprächs verhandeln Anwälte und ORF-Führung über einen vorzeitigen Abgang von Infodirektor Elmar Oberhauser. Der Generaldirektor sagt, es gebe kein Vertrauensverhältnis mehr.

Kulovits-Rupp: Ich sehe das auch so. Ich kann mir nach den Äußerungen und dem Mail von Herrn Oberhauser nicht vorstellen, dass noch die Grundlage für vertrauensvolle Zusammenarbeit gegeben ist. Ich würde eine einvernehmliche Trennung auf jeden Fall begrüßen - aber nicht um jeden Preis. Frühere Beispiele haben gezeigt, dass Abwahlen zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten über die Ansprüche führten.

STANDARD: Oberhauser warf Wrabetz in einem internen Rundmail vor, er habe TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher gegen seinen Vorschlag, aber im Sinne der SPÖ bestellt. Dürfen Direktoren den General nicht kritisieren?

Kulovits-Rupp: In jedem Unternehmen gibt es eine Hierarchie, auch eine Hierarchie der Verantwortung und der Entscheidungen. Im Fall des ORF ist der Generaldirektor der bestellte Alleingeschäftsführer. Ich bin immer für interne Diskussionen. Und es steht jedem Bereichsdirektor zu, seine Vorstellungen, Wünsche, Überlegungen darzulegen. Aber letztendlich ist der Generaldirektor vom Stiftungsrat als Alleingeschäftsführer bestellt. Und niemand kann sich die Geschäftsführung arrogieren.

STANDARD: Oberhauser betont seine Rolle als Hüter der Objektivität. Er schreibt, er habe sich gegen eine Einmischung der SPÖ bei der Bestellung des TV-Chefredakteurs zur Wehr gesetzt.

Kulovits-Rupp: Objektivität hängt nie nur an einer Person. Wirklich hinterfotzig ist die Argumentation: Einerseits bescheinigt Oberhauser Fritz Dittlbacher, dass er ein ausgezeichneter Journalist ist, absolut geeignet als Chefredakteur und über den Verdacht einer politischen Einflussnahme erhaben. Andererseits aber schreibt er sinngemäß, er sei als Parteiwunsch abzulehnen. Es ist schon sehr vermessen, wenn jemand meint, Objektivität hänge nur an einer Person, und der Infodirektor wäre der Garant für Objektivität und Unabhängigkeit im ORF. Damit tritt man das Redakteursstatut mit Füßen. Die ORF-Journalisten sind alles andere als ein blindgeleiteter Haufen. Das sind selbstbewusste, sehr qualifizierte Journalisten, die ihren Beruf und ihren Gesetzesauftrag zur Objektivität sehr ernst nehmen.

STANDARD: Kritisiert wurde, Dittlbacher sei der SPÖ zuzuordnen.

Kulovits-Rupp: Es muss jedem Menschen frei stehen, eine politische Heimat zu haben. Das kann man auch Journalisten nicht absprechen. Dass jemand eine politische Heimat hat, heißt aber noch lange nicht, dass der- oder diejenige ferngesteuert oder marionettenhaft agieren würde. Ich bin seit 25 Jahren Mitglied der SPÖ. Ich habe mit meiner Beitrittserklärung weder meinen Verstand noch meinen Anstand abgegeben. Wer politische Parteien schlecht macht, sollte scharf darüber nachdenken, wessen politisches Geschäft man damit eigentlich betreibt. Politische Parteien sind eine Grundfeste unseres demokratischen Systems. Und politische Nullgruppler sind nicht von vornherein die besseren, wahrhaftigeren oder sympathischeren Menschen.

STANDARD: Elmar Oberhauser soll zwar 2006 als Wunsch des damals noch deutlich stärkeren BZÖ Infodirektor geworden sein. Viel mehr aber als Nähe zu irgendeiner Fraktion sagt man ihm ein Netzwerk von "Haberern" nach.

Kulovits-Rupp: Das ist umso schlimmer. Eine politische Heimat macht Menschen auch einordenbar, wie ihnen zu begegnen ist. Sich selbst mangels politischer Heimat zum Nabel der Welt zu erklären, seine eigenen Launen zum Programm zu erheben, und wie die Inkarnation eines italienischen Renaissancefürsten zu agieren, erscheint mir wahrhaft undemokratisch. Männerbündeleien, Habererpartien oder Stammtische haben mit Objektivität und Demokratie wenig zu tun.

STANDARD: Dem ORF wurde ein roter Durchmarsch nachgesagt: Karl Amon als Radiodirektor, Dittlbacher als TV-Chefredakteur...?

Kulovits-Rupp: Und dann ist es schon aus. Eine Reihe von Jobs ist neu besetzt worden. Es ist fatal, dass jeder Kandidat von vornherein einem Lager zugerechnet wird - von außen, aber auch von innen. Da darf man Meinungsfreiheit nicht mit Narrenfreiheit verwechseln. Bei anderen Unternehmen, anderen Medien gibt es das nicht, oder nicht in diesem Ausmaß.

STANDARD: Politische Institutionen wie Parteien, Regierung, Länder besetzen den ORF-Aufsichtsrat.

Kulovits-Rupp: Aber letztlich ist jeder Stiftungsrat weisungsungebunden und unabhägig und muss seine Entscheidungen selbst verantworten. Er haftet auch persönlich dafür - Parteisekretäre und -Parteikassen werden dafür nicht gerade stehen.

STANDARD: Wären Sie - wie offenbar der ORF-General und die SPÖ - für vorverlegte Generalswahlen?

Kulovits-Rupp: Ich persönlich hielte aufgrund der Debatten eine rasche Neubestellung für vernünftig und sinnvoll.

STANDARD: Ich höre von Generalswahlszenarien im Februar oder März 2011?

Kulovits-Rupp: Diese Szenarien kenne ich nicht. Zunächst müsste man das ORF-Gesetz adaptieren*), also würde es sich vor Weihnachten wohl nicht mehr ausgehen. Aber alles spricht dafür, die nächste Geschäftsführung nicht erst im Sommer, sondern im Frühjahr zu wählen. Das wäre ein realistischer Zeithorizont.

STANDARD: Wrabetz ist Ihr Kandidat für 2011?

Kulovits-Rupp: Der Generaldirektor hat mein Vertrauen. Ich weiß nicht, ob er sich wieder bewirbt.

STANDARD: Würden Sie sich wünschen, dass er es wieder wird?

Kulovits-Rupp: Ich persönlich schätze den amtierenden Generaldirektor sehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2010/Langfassung online)

*) ORF-General Alexander Wrabetz konnte Kulovits-Rupp inzwischen offenbar von seiner Rechtsmeinung überzeugen, dass der Stiftungsrat bei "breitem politischem Konsens" auch ohne Gesetzesänderung früher den Generaldirektor ausschreiben und wählen könnte. Das sagte sie Freitag der APA.