Bild nicht mehr verfügbar.

Langzeit-Parteichef Parteder: "Für viele Leute in der Obersteiermark sind wir das, was in traditionellen Arbeitermilieus einmal die SPÖ war."

Foto: APA

Pazifist Parteder: Immer wieder meldete sich der steirische Parteichef gegen NATO-Einsätze zu Wort und ging für den Frieden auf die Straße.

Foto: KPÖ Steiermark

Der Parteichef mit "Fürchtet-euch-nicht"-Button: Unter ihm bekamen die steirischen Kommunisten ein neues Image.

Foto: Ulbl-Taschner

Bei einer Rede im Brauhaus Puntigam am vergangenen Nationalfeiertag.

Foto: KPÖ Steiermark

"Die Geschichte hätte sich anders entwickeln können. Jetzt haben die fortschrittlichen Kräfte die Möglichkeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie man diesen Irrweg vermeiden kann." Parteder glaubt an die Zukunftsfähigkeit eines demokratischen Sozialismus.

Foto: KPÖ Steiermark

"Ich habe nie vorgehabt, im Sarg aus einer Funktion zu gehen", sagt Franz Stephan Parteder, Parteiideologe und Kopf hinter den erstaunlichen KPÖ-Erfolgen in der Steiermark, lakonisch. Der Kommunist gibt nach knapp 20 Jahren seinen Vorsitz in Graz ab. Im Gespräch mit derStandard.at erzählt er, was ihn einst aus der SPÖ vertrieb, warum er Banken und Industrie lieber unter staatlicher Kuratel sähe und was man von der Sowjetunion lernen muss.

derStandard.at: Herr Parteder, Sie haben kürzlich gesagt, Sie gehen beruhigt in Politpension. 1991 wurden Sie steirischer KPÖ-Chef. Was ist gelungen?

Parteder: Wir waren im Jahr 1991 auf dem Tiefpunkt unserer gesellschaftlichen Bedeutung. Als ich gewählt wurde, hat der Bürgerkrieg in Jugoslawien gerade begonnen und die Sowjetunion ist zerfallen. Die Bezugspunkte, die wir hatten, waren alle weg. Da musste man sich was überlegen. Wir mussten unseren Gebrauchswert deutlich steigern, um als Kommunistische Partei in der Steiermark weiter zu existieren.

derStandard.at: Und heute?

Parteder: Die Situation ist in der Steiermark ganz anders als im Rest von Österreich. Wir sind in größerem Maße akzeptiert, so wie wir sind. "Gibt es euch überhaupt noch?" oder "Geht's doch nach Russland!", hören wir ganz selten.

derStandard.at: Was heißt Gebrauchswert steigern?

Parteder: Die Menschen interessieren sich nicht für Streitereien innerhalb unserer Bewegung oder irgendwelche Feinheiten. Die wollen wissen, wozu wir überhaupt gut sind.

derStandard.at: Vor allem der ehemalige Grazer Wohnungsstadtrat Kaltenegger war sehr populär.

Parteder: Ernest Kaltenegger hat in Graz einen Mieternotruf eingeführt. Da haben wir Zuspruch von den Menschen bekommen, weil man wusste, wenn man ein Wohnungsproblem hat, muss man zu den Kommunisten gehen. Dort wo wir bezahlte Politikfunktionen bekommen haben, war klar, dass wir den Großteil dieser Einkünfte für soziale Zwecke ausgeben. Alle Mandatare behalten auch jetzt höchstens 2000 Euro.

derStandard.at: In Ihren kleinen Bastionen in Graz und der Obersteiermark geht es den Menschen um praktische Hilfe und nicht um historische Umwälzungen. Schmerzt es Sie, wenn die Leute die KPÖ aus eher banalen Gründen wählen?

Parteder: Das tut mir nicht weh, weil ich ja daran mitgewirkt habe, dass wir uns den Menschen zuwenden. Wir wollten eine Partei des Gebrauchswerts und des täglichen Lebens werden. Gleichzeitig haben wir aber in all diesen Jahren versucht, dass wir alle Funktionen einer Partei der Arbeiterbewegung erfüllen.

derStandard.at: Was macht Sie in den obersteirischen Arbeitergemeinden erfolgreich?

Parteder: Wenn eine Partei in Österreich mit der Wahlkampflosung "Wir wollen die sozialistische Revolution für die Welt" sechs oder zehn Prozent erreichen könnte, dann wäre die gesellschaftliche Situation ganz anders. In Trofaiach haben wir 20 Prozent erreicht. Die Leute dort sagen: Wir sind die echten Sozialisten. Wir sind das, was früher einmal die SPÖ in diesen traditionellen Arbeitermilieus war.

derStandard.at: Was stört Sie an der Sozialdemokratie?

Parteder: Ich war ja selber fünf Jahre in der SPÖ (1968 bis 1973, Anm.). Aus Protest gegen Finanzminister Androsch habe ich dann den endgültigen Schritt zu uns, zur KPÖ, vollzogen. Die Sozialdemokratie ist nicht in der Lage, die Vorstellungen und Hoffnungen, die sie erweckt, auch einzulösen. Das hat gerade jetzt die Diskussion um das Belastungspaket gezeigt. Das zweite ist, dass das Führungspersonal, was die ökonomisch-moralische Seite betrifft, höchst angreifbar ist. Ich glaube, jeden Spitzengewerkschafter kann man aufblatteln. Über jeden einzelnen gibt ein Dossier, das die Gegenseite hinausziehen kann ...

derStandard.at: Sie meinen Gehalt und Dienstauto...

Parteder: ... nicht nur das, auch darüber hinaus, glaub ich sogar. Das jüngste Beispiel ist Alfred Gusenbauer bei der Strabag. Das ist ja sowas von, wie soll ich sagen (zögert, Anm.), nicht besonders glaubwürdig. Ich kenne zum Beispiel Häupl persönlich, wie er fast ein KPÖ-Sympathisant war. Ich kenne Cap seit Mitte der Siebziger Jahre. Sie müssen mir verzeihen, ich mache mir auch so einige Gedanken über die Wandlungsfähigkeit der Menschen.

derStandard.at: Sie waren in den 80er Jahren gemeinsam mit Gusenbauer auf Veranstaltungen der Friedensbewegung.

Parteder: Der junge Gusenbauer hat uns immer belehrt, wie der Marxismus richtig ausgelegt werden muss. Der war immer schon so.

derStandard.at: So belehrend, meinen Sie?

Parteder: Sehr belehrend. Der hat ja mit diesen marxistischen Begriffen nur so herumgeworfen. Häupl hat damals einen super Aufsatz geschrieben, ich glaube, über Ökologie und Marxismus. Wenn du das liest – so radikal treten wir als KPÖ heutzutage nicht mehr auf.

derStandard.at: Gibt es in der SPÖ noch echte Linke?

Parteder: Ja, gibt es noch.

derStandard.at: Linke, die auch etwas zu sagen haben?

Parteder: Die etwas zu sagen haben, nein. Es gibt aber sicher Leute, die trotz aller Enttäuschungen glauben, dass das noch die größte Partei der Arbeiterbewegung ist. Dort, wo sie an den Schalthebeln sind, ist die Verbindung mit ökonomischen Entscheidungsträgern aber sicher wichtiger.

derStandard.at: SPÖ, ÖVP und Grüne tragen aus Ihrer Sicht das Wirtschaftssystem zu sehr mit. Was wäre die langfristige Alternative?

Parteder: Die langfristige Alternative wäre ein Wirtschaftssystem, in dem die Herrschaft der großen Konzerne und der privaten Banken zurückgedrängt wird. Wir nennen es noch immer Sozialismus. Das gesellschaftliche Eigentum an den großen Produktionsmitteln heißt nicht, die Trafiken oder die Gasthäuser zu verstaatlichen – nicht die mittleren Gewerbebetriebe. Es geht darum, dass nicht Aktien und der Shareholder Value die Entwicklung der Industrie bestimmen, sondern die Gesellschaft.

derStandard.at: Also ihnen geht es nicht um Wirtshäuser und Greißler, sondern um die Industrie?

Parteder: Die große Industrie und vor allem die Banken jetzt. Der gesamte Finanzapparat müsste eigentlich unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden. Da habe ich ähnliche Ansichten wie der Herr Felber von Attac, die sind nicht allzu weit entfernt.

derStandard.at: Wie das passieren soll, läuft dann hinaus auf gemeinschaftliche Produktion und Enteignung?

Parteder: Ja, nur die Sache ist so: Wie das passieren soll, das kann ich jetzt nicht sagen. Das ist ja nur möglich, wenn es eine gesellschaftliche Übereinstimmung gibt, wenn eine Mehrheit der Bevölkerung für eine grundlegende Wende im gesellschaftlichen System ist. Dass eine Wende notwendig ist, merkt man ja jetzt angesichts dieser Krise.

derStandard.at: Das System des Kommunismus ist doch gescheitert, und zwar überall.

Parteder: Die Form des Systems ist gescheitert, die es in Osteuropa und der Sowjetunion gegeben hat, weil das in einem solchen Ausmaß staatliches Eigentum ohne demokratische Kontrolle war, was einfach zu negativen Auswirkungen führen hat müssen. Ohne innere Demokratie in der Gesellschaft oder auch in einer Partei wie der unseren und ohne demokratische Kontrolle von unten nach oben in allen Institutionen, ist so etwas einfach nicht möglich. Wenn man diese Lehre nicht zieht, dann hat man gar nichts begriffen.

derStandard.at: Lagen die Demokratie-Defizite der kommunistischen Länder nicht gerade im kollektivistischen Ansatz begründet?

Parteder: Nein, glaube ich nicht. Der kollektivistische Ansatz müsste ja ein demokratischer sein. Wenn man sich die Geschichte der Sowjetunion anschaut, ist das Negative daran, dass die Gemeinschaftlichkeit durch einen Führerkult abgelöst wurde und eine Person in Wirklichkeit bestimmt hat.

derStandard.at: Den Führerkult gab es aber in erstaunlich vielen dieser Länder.

Parteder: Man muss das sehen: Es hat einmal ein Land gegeben, die Sowjetunion. Und ausgehend von diesem Land hat sich ein System entwickelt. Diese Muster, die sich dort herausgebildet haben, sind überall übernommen worden. Das war aber keine Gesetzmäßigkeit. Die Geschichte hätte sich anders entwickeln können, hat sie aber nicht. Und jetzt haben die fortschrittlichen Kräfte die Möglichkeit, sich genau darüber Gedanken zu machen, wie man diesen Irrweg in Zukunft vermeiden kann. Ich glaube, die klügsten Köpfe der Linken müssen sich Gedanken darüber machen.

derStandard.at: Zum Schluss eine persönliche Frage. Sie haben keinen Führerschein. Warum nicht?

Parteder: Naja, ich habe schon in jungen Jahren Pkw für eine überholte Form der Fortbewegung gehalten. (lacht, Anm.) Ich habe mich in der Zeitspanne, in der sich das allgemein herausstellen wird, etwas geirrt.

derStandard.at: Eine Fehleinschätzung?

Parteder: Eine völlige Fehleinschätzung. Ich komme aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hin. (Lukas Kapeller/derStandard.at, 9.11.2010)