Die frei finanzierte Wissenschaft sieht sich durch die Sparpläne in ihrer Existenz bedroht. Schließungen und Entlassungen könnten die Folge sein

Illustration: STANDARD/Köck

Doch der Widerstand der Betroffenen wächst. Und auch in der ÖVP ist man sich uneins über die Kürzungen.

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"Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung bedauert, mitzuteilen, dass im Rahmen der Maßnahmen zu Budget-Konsolidierung die Finanzierung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen (...) in der bisherigen Form eingestellt wird." Das war der Kern der Hiobsbotschaft, die Anfang dieser Woche rund 40 außeruniversitäre Institute per E-Mail erreichte.

In Erwartung des Horrorszenarios waren Betroffenen aber auch nicht ganz untätig geblieben: Die Institute, die von den im Budgetentwurf vorgesehenen Streichungen der Basissubventionen und Kürzungen bei Projektfinanzierungen betroffen sind, hatten sich zur Plattform Wissen/Schafft/Österreich zusammengeschlossen. Ihrem Aufschrei folgten bisher knapp 8000 Menschen, die gegen die Streichung der Fördergelder protestieren und sich gegen "Kahlschlag" , "Selbstprovinzialisierung" und die "Eliminierung eines ganzen Wissenschaftssektors" wehren.

Ohne jede Evaluierung

Am Dienstag luden die Leiter einiger der betroffenen Institute dann auch noch zur Pressekonferenz und machten deutlich, was die Kürzungen bedeuten: "Die Streichung von insgesamt 28 Millionen Euro bis 2014 entspricht etwa zwei Prozent der Mittel, die in einem ersten Schub in die Hypo Alpe Adria gesteckt werden" , sagt Jörg Flecker, Leiter der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba). Vor allem aber sei es "ein Skandal, ohne jegliche Evaluierung Kapazitäten zu zerstören, die ja von der öffentlichen Hand mitaufgebaut wurden" .

Das Institut, das sich auf Arbeitsforschung spezialisiert hat, erhält bei einem Gesamtbudget von 1,2 Millionen Euro eine Basisfinanzierung von 20.000 Euro. Etwa 80 Prozent des Budgets komme aus EU-Programmen, die jedoch nur 75 Prozent der Kosten decken. "Wir wissen nicht, was wir mit Anfragen für Beteiligungen an EU-Projekten tun sollen" , schildert Flecker eine der unmittelbaren Konsequenzen.

Für das Österreichische Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI) würden durch die Kürzungen 55.000 Euro jährliche Basisförderung wegfallen. "Das wäre schlichtweg dumm" , sagt OFAI-Direktor Robert Trappel, "da man damit die Chance vergibt, 8,2 Millionen Euro aus Brüssel zu holen." So viel habe das Institut insgesamt an EU-Forschungsmitteln eingeworben.

Die Grundfinanzierung sei nicht nur notwendig, um Overheadkosten - die der Wissenschaftsfonds FWF mittlerweile nicht mehr bezahlt - zu finanzieren, sondern werde auch für Antragstellung und Konferenzreisen benötigt. "Die Streichung der Basisfinanzierung von 71.000 Euro ist nicht das einzige, was wir verlieren" , stellt Josef Hochgerner, Direktor des Zentrums für soziale Innovation (ZSI), fest. So musste bereits das Auslandsbüro in Sofia geschlossen werden. "Allein in diesem Jahr haben wir schon 450.000 Euro verloren."

Die intellektuelle Auseinandersetzung mit globalen Themen sieht Lutz Musner bedroht, Vize-Rektor des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften (IFK), das sich bisher fast ausschließlich über die jährliche Basisförderung von 950.000 Euro finanziert hat. Musner fühlt sich an die Vertreibung der Intelligenz in den 1930er-Jahre erinnert und warnt davor, dass Sparmaßnahmen einen ähnlichen Effekt erzeugen könnten.

"Es geht uns nicht um eine simple Budgetkorrektur, sondern um eine Prioritätenkorrektur" , sagt Peter Bruck, Leiter der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft. "Es geht um die Existenz der frei finanzierten Wissenschaft und eine volkswirtschaftliche Wertvernichtung, die für die Gesamtgesellschaft ein Problem ist."

Keine reine Budgetmaßnahme

Bei den geplanten Einsparungen handle es sich "nicht um eine reine Budgetmaßnahme" , meint hingegen Wissenschaftsministerin Beatrix Karl. "Es ist auch eine Strukturbereinigung, wie sie auch vom Wissenschaftsrat, vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung sowie vom Rechnungshof eingefordert wird."

Katharina Cortolezis-Schlager, Wissenschaftssprecherin der ÖVP und somit Parteikollegin von Karl, sieht das anders: "Die Streichung der Basissubventionen ist keine strukturelle Maßnahme, sondern eine Sparmaßnahme." Strukturmaßnahmen würden bedeuten, dass es zuerst eine Evaluierung der betroffenen Institute durch internationale Experten geben müsse, sagt Cortolezis-Schlager, die die Internationalisierungsstrategie für die heimische Forschung gefährdet sieht.

Rücknahme der Maßnahmen

"Es ist dumm, bestehende Institute, die zwei Drittel ihres Budgets international einwerben, aufzulösen, wenn jetzt schon klar ist, das sie in Zukunft verstärkt gebraucht werden" , sagte Cortolezis-Schlager dem Standard. Die internationalen Netzwerke neu aufzubauen, sei um ein Vielfaches teurer als die geplanten Einsparungen. Die Wissenschaftssprecherin fordert daher eine parlamentarische Diskussion der Pläne, eine Rücknahme der Maßnahmen für das kommende Jahr und eine Evaluierung der betroffenen Institute.

Jürgen Mittelstraß, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, bestätigt dem Standard, dass sein Gremium eine Evaluierung der außeruniversitären Einrichtungen "unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der Forschung" empfohlen hat. Gerade in der Sozial- und Geisteswissenschaft gebe es einen "Wildwuchs von kleinen und kleinsten" Instituten, wo eine Integration mit den Unis überlegenswert sei. Von einer Streichung der Grundfinanzierung aus budgetären Gründen, wie sie das Ministerium jetzt plant, hält er nichts.

Ministerin Karl will nun mit den betroffenen Instituten Gespräche führen, um "gemeinsame Lösungen zu finden" : Möglich wären Neustrukturierungen, die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur und die Anbindung von Instituten an die Universitäten. Wie diese die zusätzlichen Mittel für die Einbindung neuer Institute aufbringen sollen, bleibt jedoch offen. (kri, tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2010)

=> Wissen: Die Kürzungen und ihre Gründe

Wissen: Die Kürzungen und ihre Gründe

Bis 2014 will das Wissenschaftsministerium im Bereich der außeruniversitären Forschung 28,1 Millionen einsparen: vier Millionen Euro 2011 und ab dann jährlich acht Millionen. Konkret bedeutet das, dass mehr als 40 Einrichtungen noch bis Mitte 2011 ihre Basisfinanzierung kriegen und diesbezüglich spätestens ab 1. Juli vor dem Nichts stehen.

Begründet werden die Maßnahmen vom Wissenschaftsministerium neben der Budget-Konsolidierung mit einer "Strukturbereinigung, wie sie auch vom Wissenschaftsrat, vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung sowie vom Rechnungshof eingefordert wird" . Zumindest der Wissenschaftsrat hätte vor dem Zusperren allerdings lieber eine Evaluierung über die Institute durchgeführt. (red)