Die Magellanstraße in Chiles Süden.

Foto: NASA

Anreise & Unterkunft

Flug mit der Iberia via Madrid nach Santiago de Chile, weiter mit der LAN nach Punta Arenas. Expeditions-Kreuzfahrten mit Cruceros Australis von Punta Arenas nach Ushuaia (vier Nächte) oder retour (drei Nächte). Die Saison dauert bis April.

Grafik: DER STANDARD

"Immer der Nase nach" ist ein Ratschlag, den man in der Ainsworth-Bucht in Patagonien nur bedingt befolgen kann. Am Strand räkeln sich fünf See-Elefanten, und kaum steht man im Wind, ist klar, dass die Kolosse auch olfaktorisch eine Wucht sind. "Achtung! Gehen Sie nicht so knapp an die Tiere ran", warnt Mauricio Guelnao besonders Fotowütige. An die 800 Kilogramm schwer sind die Weibchen, an die drei Tonnen schwer die Bullen. Von Oktober bis Dezember kümmern sie sich hier, am Fuße des Marinelli-Gletschers im Nationalpark Alberto de Agostini um ihre Jungen.

Auch sonst achtet Guelnao streng auf die Disziplin seiner Gruppe, die in Schlauchbooten von der MS Mare Australis in die Bucht übergesetzt wurde. Hat auch jeder seine orange Rettungsweste abgelegt und mit einem Stein beschwert? Folgen ihm alle im Gänsemarsch über das rote Moos in den lichten Laubwald? Mauricio ist nicht nur der Guide, er ist so etwas wie ein Expeditionsleiter - denn das es sich hierbei um ein Abenteuer handelt, darüber besteht unter den Anwesenden kein Zweifel.

Menschen aus 18 Nationen sind im chilenischen Punta Arenas an Bord gegangen, um einmal bis ans Kap Hoorn zu kommen. An vier Tagen befahren sie die berühmte Magellanstraße und lernen bei Landgängen die Fauna und Flora von Feuerland auch aus der Nähe kennen. "Das ist eine antarktische Scheinbuche, Nothofagus antarctica", erklärt Mauricio. Der immergrüne Baum wird in diesen unwirtlichen Breiten immerhin an die drei Meter hoch. Auch die "Frutillas del Diablo", die giftigen Teufelserdbeeren, und die Winterrinde - dank ihres hohen Vitamin-C-Gehalts hilft sie bei Skorbut - werden bestaunt. "John Winter, der 1578 bei der Weltumsegelung von Francis Drake dabei war, hat ihre heilsame Wirkung erkannt", erzählt Mauricio. Von Francis Drake und seinen Mannen werden die Gäste später an Bord noch mehr hören, jeden Tag stehen mehrere Vorträge zur Geschichte der Seefahrt und der Region auf dem Programm.

Doch vorerst erzählt Mauricio von einem Tier, das auch die anwesenden Europäer gut kennen: dem Biber. Er habe sich, von einer Pelztierfarm im argentinischen Ushuaia entkommen, bar aller natürlichen Feinde auf Feuerland derart verbreitet, dass die Population jetzt an die 130.000 Tiere umfasse. Gespannt schleichen die Expeditionsteilnehmer dann um einen Damm im nahen Fluss, um atemlos ein Tier zu beobachten, das sie auch im Stadtwald um die Ecke antreffen könnten. Doch wahrscheinlich macht gerade das einen Teil der Faszination einer solchen Reise aus, dass man sich, erst einmal Abenteuerluft schnuppernd, auch an den kleinsten Tieren und unscheinbarsten Blümchen begeistern kann.

Am nächsten Tag kreuzt das Schiff auf dem Hauptarm des Beagle-Kanals, um dann an der "Allee der Gletscher" vorbeizuziehen. In dem populärwissenschaftlichen Vortrag geht es dementsprechend um die Auswirkungen des Klimawandels. Mehr noch als der drohende Anstieg der Weltmeere beschäftigt die Passagiere aber vorerst die Frage, ob das Wetter den Landgang im Nationalpark "Cabo de Hornos" erlauben wird. Kapitän Enrique Rauch Strauch meint lakonisch: "Wir werden sehen." Der Urenkel deutscher Auswanderer war erst in der Kriegsmarine, dann auf einem Frachtschiff tätig und betrachtet seinen Einsatz auf einem Kreuzfahrtschiff bei jedem Wetter als einen Glücksfall.

Im Morgenrot liegt der 425 Meter hohe, fast senkrechte Felsabbruch dann da, als könne er kein Wässerchen trüben. Obwohl die Umrundung des Kaps lange zu den gefürchtetsten Schiffspassagen gehörte und die See vor Kap Hoorn zum größten Schiffsfriedhof der Welt wurde, ist der Landgang an diesem Tag ein Spaziergang. Die einzige Herausforderung: Steile Treppen führen hinauf zum Leuchtturmhäuschen, wo Patricio Ubal, Offizier der chilenischen Armee, mit seiner Familie die Stellung hält. Die neunjährige Tochter Genesis unterrichtet seine Frau Angela selbst, in Zeiten des Internets sei das nicht schwer, und der zweijährige Thomas sei vor allem mit Spielen beschäftigt. Einsam sei die Familie nicht, es kämen ja sowieso ständig neugierige Kreuzfahrttouristen vorbei. Ein Jahr dauert der Dienst auf diesem Außenposten am Ende der Welt, zu dem er sich freiwillig gemeldet hat. An die heroischen Zeiten des Kaps erinnert das Denkmal der "Kap Hoorniers", der Gemeinschaft der kommandierenden Kapitäne, die das Kap Hoorn auf einem Frachtensegler ohne Hilfsmotor bezwangen.

An ein weniger heldenhaftes Kapitel in der Geschichte Feuerlands rührt der Landgang in der Wulaia-Bucht, in der auch Charles Darwin auf seiner Weltreise an Bord der MS Beagle im Jänner 1833 gewesen war. Hier befand sich einst eine der größten Siedlungen der Yamana-Indianer, die mit Kanus die Küsten befuhren. Nach Muscheln tauchten dabei übrigens nur die Frauen - die Männer lernten traditionell nicht schwimmen. Umgebracht und von den Seuchen der weißen Missionare dahingerafft wurden schließlich alle, woran ein Museum in der Bucht erinnert. (Tanja Paar/DER STANDARD/Rondo/12.11.2010)