Rot-Grün verspricht Spannung. Die neue Koalition in Wien hat sich in ihrem Vertrag auch des Themas angenommen, das den Wiener Wahlkampf am meisten geprägt hat: Integration. Neben mehr und einfacher zugänglichen Deutschkursen will man auch eine „Wiener Charta des Zusammenlebens“ formulieren, die „die zentralen Wertvorstellung unserer Gesellschaft und die Spielregeln für ein gutes Zusammenleben in Wien“ beschreiben soll.

Wir erinnern uns: In Deutschland suchte man rund um das Jahr 2000 mittels einer äußerst umstrittenen „Leitkulturdebatte“ auch nach gemeinsamen Grundwerten. Der Unterschied: Man wollte diese vor allem von CDU-Seite nicht formulieren, um das Zusammenleben zu fördern, sondern um gegen Multikulturalismus zu agitieren. Das Trennende war gefragt, nicht das Verbindende. Wenn man sich die aktuelle Multi-Kulti-Todeserklärung von Merkel ansieht, dürfte sich an dieser Einstellung nichts geändert haben.

Das rot-grüne Wien versucht es andersrum: „Wien begreift die Vielfalt als Chance und Notwendigkeit für eine prosperierende Gesellschaft und Wirtschaft“, heißt es im Koalitionspapier. Nun könnte man meinen: Die Wiener Werte sind doch ohnehin klar. Diejenigen, die das behaupten, sind aber meistens Vertreter irgendeiner Lobby. Oft von irgendeiner Partei (meistens schreien die von Rechtsaußen am lautesten), ebenso oft von einer Religion, leider zu selten von Intellektuellen (die sind zu leise oder verschließen sich neuerdings überhaupt der Diskussion) und kaum von den Bürgern.

Wenn man Integration einfordert, muss man auch ein Ziel nennen, das haben die Realos um Vassilakou und der Strache-geschädigte Häupl völlig richtig erkannt. Migranten, ob sie nun aus der Türkei, vom Balkan oder aus Purbach am Neusiedler See stammen, würden sicher gerne wissen, ab wann sie sich als „integrierter Wiener“ bezeichnen können. (Rainer Schüller, derStandard.at, 12.11.2010)

PS: Bevor man im Rathaus die Formulierung der Charta in Angriff nimmt, wäre es interessant zu wissen, wie die UserInnen von derStandard.at die Lage einschätzen. Posten Sie also Ihre Wertvorstellungen und versuchen Sie bitte konstruktiv zu bleiben.

Nochmal die Fragestellung: Was sind DIE Wiener Werte? Das Forum ist eröffnet.